Plusquamfutur

„Welche Zukunft hat die Zukunft?“ – so fragte Marion auf Findesatz zum 18. März. Dies hat mich zu dieser kleinen Grammatikübung (samt Wortbildung 😉) inspiriert.

wird einst, was wird, geworden sein,
wird werden, was wird, wenn das, was einst
wird werden, geworden geworden sein
wird

fangVerse (17) – abendBlatt

dunkelt Abend über Blatt und Land / taucht /
aus blauem Dunst / nur / diese eine Frage /
die ein jedes Lied / sich fragt / die Frage /
der Fragen / die ein jedes Wort / sich /
fragt / und dich und mich

willst du sie wissen / fang / ein Blatt / und warte /
ab / bis / funkelt Abend über Blatt und Land /
bis / haucht / aus blauem Dunst /
der letzte Vers / die Frage /
der Fragen

Dies ist mein letzter Fang. Alles begann mit einem ganz harmlosen Gedicht zu Jahresbeginn und Ules Frage dazu. Auf einen (ganz anderen) Impuls von Ule hin entstand dann schon bald ein erster Text.  Da erkannte ich recht unmittelbar das Potential zu Mehr – wenn das nicht eine zündende Idee für einen poetologisch ausgerichteten Gedichtzyklus war! Nach den ersten (eher improvisierten) Texten kristallisierte sich in meinem Kopf bald das Bild von einem Netz an möglichen Verflechtungen heraus – und damit war die Leitschnur für die Architektur des fangVerse-Zyklus geboren. So entstanden in rascher Folge nun diese 17 fangVerse – und heute, zum 17., seien sie zu einem Ende geführt.

Kriegsnarrative

Es ist eine alte Geschichte.

Sie erzählen.
Wir erzählen.

Wir erzählen unsere Geschichte.
Sie erzählen ihre Geschichte.

Sie erzählen eine andere Geschichte als wir.
Wir erzählen eine andere Geschichte als sie.

Wir erzählen die Geschichte anders als sie.
Sie erzählen die Geschichte anders als wir.

Sie erzählen, dass wir falsch erzählen.
Wir erzählen, dass sie falsch erzählen.

Wir erzählen, was sie nicht erzählen.
Sie erzählen, was wir nicht erzählen.

Sie erzählen.
Wir erzählen.

Geschichten. Immer wieder:
Geschichten. Und dennoch:

Eine gemeinsame Geschichte.

fangVerse (15) – mondBlatt

schmeck den Geschmack von jener Welt / die monden ist /
du Blatt / und vergiss / vergiss / denn nun mondest du /
du Blatt / vom Mond gemondet /
monden / mein Wort

schmeck den Geschmack von jener Welt / die worten ist /
du Mond / und vergiss / vergiss / denn nun wortest du /
du Mond / vom Wort gewortet /
worten / mein Blatt

fangVerse (13) – nieselBlatt

Nieselgrieselrieselfäden
schnüren / über das Blatt / flink wie Wiesel /
rau wie Kiesel / graupeln sie an ihm herab /
verwischen die Schrift mit ihrem Kritzelstift /
vermischen sie mit ihrem Schnürlpieselgift /
verzischen in Krisendrift / frischen auf

das Blatt erzittert / zerknittert / zerfleddert /
verwittert das Wort / und ich /
verbittert / verheddert

kein Wort

kein Wort kann ich finden
für diesen Krieg, das nicht
selbst schon Krieg bedeutet

kein Wort kann ich finden
in diesem Krieg, das nicht
zwingend Kriegspartei ist

kein Wort kann ich finden
zu diesem Krieg, das nicht
Kriegspropaganda betreibt

was machst du, Krieg, mit
unseren, ihren, meinen Worten?

du
lässt nur noch ein Wort zu:
Krieg