traurig bin ich,
schau ich aus mir hinaus:
nur Leid, nur Tod
und Krieg und Not –
die Unvernunft hat jetzt die Oberhand;
alles gar scheint außer Rand und Band:
laut spricht nur sie, die Sprache der Gewalt –
kein Raum für Poesie
traurig bin ich,
schau ich in mich herein:
nur Ach, nur Weh
und keine Idee –
die Hilflosigkeit hat jetzt die Oberhand;
gibt es doch nur noch Wand um Wand:
laut spricht nur sie, die Sprache der Angst –
kein Raum für Poesie
Autor: Lyrifant
weltfremd
weltfremd sei ich, sagen sie; ach, so fremd
bin ich offenbar der Welt schon geworden –
obwohl es doch gerade die Welt ist, die mir
fremd, ja immer fremder wird
zur Logik von Recht und Unrecht
und auch im Namen des Rechts
wird aus Unrecht nicht Recht.
doch aus Recht wird Unrecht
im Namen von Unrecht.
ihre Namen
Vergangenen Sonntag hatte ich die Gelegenheit, im Staatstheater Wiesbaden das Stück „an grenzen“ von Özlem Özgül Dündar zu sehen – ein Stück, das mit großer sprachlicher Sensibilität nicht nur ein Stück Migrant:innengeschichte in Deutschland beleuchtet, sondern auch der Opfer von rechter Gewalt insgesamt gedenkt – und dabei versucht, Möglichkeiten eines neuen Miteinanders auszuloten. Als Hörpiel ist der Text (wenn auch in einer anderen Fassung) in der WDR-Mediathek abrufbar. Unter dem Eindruck dieses Theaterstücks ist nun mein Text entstanden.
wir sagen ihre Namen
um an sie zu erinnern
wir sagen ihre Namen
um ihrer zu gedenken
wir sagen ihre Namen
um sie uns einzuprägen
wir sagen ihre Namen
um sie in uns zu bewahren
wir sagen ihre Namen
um uns selbst zu ermahnen
wir sagen ihre Namen
um es nie wieder zu vergessen
wir sagen ihre Namen
und wir vergessen nicht die Namenlosen
wir sagen ihre Namen
und wir vergessen nicht den Ort und die Zeit
wir sagen ihre Namen
wir sagen ihre Namen
ach, hätten wir doch ihre Namen
noch zu ihren Lebzeiten
schon zu ihnen gesagt
Mai bleibt Mai
jetzt ist der Mai
schon bald vorbei: o, Mai!
wo bleibt nur das Juchei?
ich bekenne es frei:
mein Herz ist schwer wie Blei
und in meinem Hals steckt ein Schrei –
der Mai ist mir einerlei
wobei: was soll die Eierei?
Mai bleibt Mai!
alles neu …
alles neu
macht der Mai:
neue Regierung
neuer Kanzler
neuer Papst
nur meine Gänsehaut
ist noch die alte
mein erstes Bad in diesem Jahr
es war mein erstes Bad in diesem Jahr:
der See war blau; und alle Wassertiere waren da
(ihr Dasein war ein stummer Gruß an mich, gewiss):
Herr und Frau Haubentaucher badeten mit mir;
ein Stockentenpaar schwamm etwas abseits;
der Graureiher segelte über mich hinweg;
und das Wasserschlänglein kreuzte meine Bahn –
nur die alte Schildkröte hielt sich im Schilf versteckt;
und auch die Blässhühner waren ungewöhnlich still.
vor allem aber fehltest Du, mein Liebster, mir
zum vollen Glück! denn ohne Dich
ist all das doch nur halb so schön!
Jandls „Wende“, gewendet
Lyrifants Mailied, in Anlehnung an Ernst Jandls „Markierung einer Wende“
202?
mai
krieg
krieg
krieg
krieg
krieg
krieg
krieg
Erwörterungen
Fürwörter provozieren Gegenwörter
Hauptwörter implizieren Nebenwörter
Füllwörter reduzieren Leerwörter
Bindewörter potenzieren Lösewörter
und meine abschließende Worthese:
Stichwörter fabrizieren Flickwörter
Mathematik des Krieges
Krieg addiert:
Tote um Tote und Versehrte
Krieg addiert:
Waffen und scheinbare Werte
Krieg subtrahiert:
Leben von blühender Jugend
Krieg subtrahiert:
Moral von politischer Tugend
Krieg multipliziert:
Schmerz mal Leid
Krieg multipliziert:
Gewinn mal Neid
Krieg dividiert:
Freunde durch Haltung
Krieg dividiert:
Risiko durch Spaltung
Krieg potenziert:
immer Krieg, niemals Frieden
Heuschreckenpazifismus?
„Ermutigende Literatur“ hatte Ule angeregt … hm! 🤔 – daher hier nun ein erster Gedanke in diese Richtung … (obwohl Mutlosigkeit eher meinem derzeitigen Lebensgefühl entspricht … wo ist die Friedensbewegung?)
lasst uns den Frieden
so lukrativ machen,
auf dass sich Kriege
nicht mehr lohnen!
Fischgebet
Komm, Bär Deus, sei du unsre Last
und regne, bis du uns geleeret hast.
Amen
Frohe Ostern allerseits!