ich versteh die Welt nicht mehr

ich versteh die Welt nicht mehr.
die Wörter ich vernehme wohl –
allein ihr Sinn bleibt für mich hohl.
ich dachte immer, dass ich weiß,
was Krieg, was Frieden, was Angriff heiß‘.
doch derzeit fällt ein Urteil schwer:
ich versteh die Welt nicht mehr.
zwar wollen’s viele mir erklären
und binden mir doch auf nur Bären.
nur eine Meinung – aus und Amen!
keiner nennt mehr bei dem Namen,
was Sache ist, was nötig wär:
ich versteh die Welt nicht mehr.

auf der falschen Schiene

zu den Ostermärschen 2024 (nötiger denn je!)

wir sind auf der falschen Schiene –
aber sowas von auf der falschen Schiene –
but no way to slow down
wir denken nicht einmal dran –
oder wenn, gibt’s die Keule –
no way to slow down
es ist ein Alptraum –
aber er ist real –
wir sind auf der falschen Schiene –
auf der ganz falschen Schiene –
no way
out

verloren

was haben wir nicht schon alles verloren:
Schlüssel (immer wieder), Zeit und Geld,
den Glauben, die Geduld, den Mut,
unsere Unschuld, unsere Liebesmüh,
Freunde (an den Tod und an das Leben),
den Vater, die Mutter, den Mann, die Frau,
den Bruder, die Schwester, die Tochter, den Sohn,
Haare auch, manchmal ein paar Kilos,
das Bein, den Arm, unser Herz,
ganze Kriege – und jetzt sogar den Frieden,
Sicherheit und Gewissheit,
ja, die Sprache und nun auch noch
uns

wir sind verloren,
alles haben wir verloren,
wir haben nichts mehr zu verlieren:
was habe ich dann hier noch
verloren

Lyrifants erste abc-Etüde


Diese drei Wörter aus der Schreibeinladung von Christiane haben Lyrifant nicht mehr losgelassen, und so begibt sich Lyrifant jetzt auf ganz ungewohntes Terrain: Lyrifant als Prosafant, sozusagen …

Es muss kurz nach dem Abendbrot gewesen sein. Hatte sie da nicht gerade etwas aus der Küche gehört? So als ob jemand mit dem Geschirr hantierte? Aber das kann doch gar nicht sein! dachte sie, sie wohnte doch schon seit Jahren alleine in der Wohnung! Na, ausgezeichnet! dachte sie, ist es jetzt schon soweit? Werde ich jetzt verrückt? Sie stand auf, entschlossen, und ging in die Küche. Und tatsächlich! Da stand – tja, wie sollte sie es nennen? – so ein Wesen am Spülstein. Merkwürdig: Kein Mensch. Kein Tier. Kein Ding. Wohnte das jetzt hier? In ihrer Wohnung? Und sie begann, sich auf einmal unendlich heimatlos zu fühlen.