traurig bin ich,
schau ich aus mir hinaus:
nur Leid, nur Tod
und Krieg und Not –
die Unvernunft hat jetzt die Oberhand;
alles gar scheint außer Rand und Band:
laut spricht nur sie, die Sprache der Gewalt –
kein Raum für Poesie
traurig bin ich,
schau ich in mich herein:
nur Ach, nur Weh
und keine Idee –
die Hilflosigkeit hat jetzt die Oberhand;
gibt es doch nur noch Wand um Wand:
laut spricht nur sie, die Sprache der Angst –
kein Raum für Poesie
politisches Gedicht
zur Logik von Recht und Unrecht
und auch im Namen des Rechts
wird aus Unrecht nicht Recht.
doch aus Recht wird Unrecht
im Namen von Unrecht.
ihre Namen
Vergangenen Sonntag hatte ich die Gelegenheit, im Staatstheater Wiesbaden das Stück „an grenzen“ von Özlem Özgül Dündar zu sehen – ein Stück, das mit großer sprachlicher Sensibilität nicht nur ein Stück Migrant:innengeschichte in Deutschland beleuchtet, sondern auch der Opfer von rechter Gewalt insgesamt gedenkt – und dabei versucht, Möglichkeiten eines neuen Miteinanders auszuloten. Als Hörpiel ist der Text (wenn auch in einer anderen Fassung) in der WDR-Mediathek abrufbar. Unter dem Eindruck dieses Theaterstücks ist nun mein Text entstanden.
wir sagen ihre Namen
um an sie zu erinnern
wir sagen ihre Namen
um ihrer zu gedenken
wir sagen ihre Namen
um sie uns einzuprägen
wir sagen ihre Namen
um sie in uns zu bewahren
wir sagen ihre Namen
um uns selbst zu ermahnen
wir sagen ihre Namen
um es nie wieder zu vergessen
wir sagen ihre Namen
und wir vergessen nicht die Namenlosen
wir sagen ihre Namen
und wir vergessen nicht den Ort und die Zeit
wir sagen ihre Namen
wir sagen ihre Namen
ach, hätten wir doch ihre Namen
noch zu ihren Lebzeiten
schon zu ihnen gesagt
alles neu …
alles neu
macht der Mai:
neue Regierung
neuer Kanzler
neuer Papst
nur meine Gänsehaut
ist noch die alte
Denk ich an Deutschland
Reminiszenz an Heinrich Heine
Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht.
Denk ich an Deutschland mitten am Tag,
Dann fühl ich nur Leid, Angst und Plag.
Denk ich an Deutschland am frühen Morgen,
Dann bin erfüllt ich von Kummer und Sorgen.
Denk ich an Deutschland am späten Abend,
Dann möchte Reißaus nehmen ich – trabend.
vom Wählen und Wollen
wählen kommt von
wollen
also lasst uns
wählen, was wir
wollen
ich fürchte nur:
wir können wählen,
was wir wollen –
werden wir auch wollen,
was wir wählen?
Rundumschlag
Schlagwort um Schlagwort hauen
wir schlagende Argumente raus
als Antwort auf diesen Schlag
ins Gesicht der Demokratie
hat jemand einen guten Vorschlag, der
nicht Schlag vom gleichen Schlag ist?
verZWEIFEL!
ich zweifle:
was Grundrecht hieß –
ist es euch zweierlei?
ich zweifle an:
was Ehrlichkeit hieß –
wie zweizüngig seid ihr!
ich bezweifle:
was Kompetenz hieß –
sät Zwietracht nur?
ich verzweifle:
was Vernunft, was Menschlichkeit hieß –
es ist entzwei!
ich zähle zwei und zwei zusammen –
und hab am Ende doch nur ein Ergebnis:
ZWEIFEL und VERZWEIFLUNG
alte Muster
ich querstreife brenngepunktet
durch dieses kleinkarierte Land
und hahnentrete an allen Ecken
stets nur ins Großgeblümte
wie ich auch strichele, ist letzten Endes
getupft wie geschwungen: die Strickmuster
bleiben immer dieselben, nur
die Maschen fallen
Wurmsegen
Gang uz, nesso, möcht ich singen:
Gang uz, Wurm, und nimm bitte
all deine vermaledeiten Würmchen mit:
uz fonna marge in die Adern,
uz aus den Köpfen und den Herzen,
uz aus unserer schönen Welt
ins Wohinauchimmer: uz, uz, uz!
drei Vaterunser (fürchte ich)
werden nicht helfen
ach! – wo nur
ist dieser Zauberspruch, der
alles wieder heile macht?
Das althochdeutsche Vorbild findet ihr hier: https://de.m.wikisource.org/wiki/Pro_Nessia
mein Traum (un rêve, I know)
I still have a dream:
un monde uni, voll Mond
& bunt (un-uni!): vollmundig
tuten & tröten freedom & Frieden
in tutto il mondo
en todo el mundo
singt es von Mund zu Mund:
ein мирakel aus 愛 und الحرية
für die ganze Weltfamilie –
I still have this dream.
Herbst 2024
die alte Saat ist wieder aufgegangen; und so
ist denn wieder Erntezeit in diesem Land, wo
„gesichert rechtsextrem“ inzwischen eher
eine Wahlempfehlung scheint, „Remigration“
plötzlich wie ganz selbstverständlich
auf der Tagesordnung steht und
die Forderung nach „Kriegstüchtigkeit“
Beliebtheitswerte in die Höhe schießen lässt
sagt mir nur eins:
wo finde ich die Disteln?