Frieden am See
Die Sonne hat die dunklen Wolken
mit ihrem lichten Gruß verabschiedet.
Am Kiesteich ist es ungewöhnlich ruhig:
Die Zahl der Badegäste ist überschaubar.
Das Wasser wellt gelassen sich ans Ufer
und trägt mich sanft hinaus.
Familie Schwan hält sich vornehm auf Distanz
und Familie Wildschwein schmaust
beglückt – und mich beglückend –
an des Ufers Wegesrand.
Leben, Überleben
verkrochen
meine Worte haben sich verkrochen.
was nur hat sie gestochen? sie fürchten:
ihnen würden die Knochen gebrochen,
man wolle sie lochen oder gar kochen.
ungern lassen sie sich unterjochen.
schon gar in Epochen, wo unsere Herzen
so bang, ach bang nur pochen.
es sind nun schon Wochen, wo
ich nicht gesprochen.
meine Worte und ich:
wir haben uns verkrochen.
Morgensterns Schnecke
Danke, liebe Gerda, Deine Erinnerung an Morgensterns Schneckengedicht hat mich wieder ins Dichten gebracht …
lang hat die Schnecke nachgedacht –
und schließlich hat sie es gemacht:
verlassen hat sie nun ihr schützend‘ Haus
und kriecht und kriecht ganz weit hinaus.
leicht fühlt es sich auf ihrem Rücken an;
sie denkt: fängt jetzt das Leben an?
doch andererseits (ich muss es sagen)
beginnt sie bald doch laut zu klagen.
nackt ist sie jetzt – und heimatlos –
und denkt: was hab ich mir gedacht da bloß?
kein Raum für Poesie
traurig bin ich,
schau ich aus mir hinaus:
nur Leid, nur Tod
und Krieg und Not –
die Unvernunft hat jetzt die Oberhand;
alles gar scheint außer Rand und Band:
laut spricht nur sie, die Sprache der Gewalt –
kein Raum für Poesie
traurig bin ich,
schau ich in mich herein:
nur Ach, nur Weh
und keine Idee –
die Hilflosigkeit hat jetzt die Oberhand;
gibt es doch nur noch Wand um Wand:
laut spricht nur sie, die Sprache der Angst –
kein Raum für Poesie
weltfremd
weltfremd sei ich, sagen sie; ach, so fremd
bin ich offenbar der Welt schon geworden –
obwohl es doch gerade die Welt ist, die mir
fremd, ja immer fremder wird
zur Logik von Recht und Unrecht
und auch im Namen des Rechts
wird aus Unrecht nicht Recht.
doch aus Recht wird Unrecht
im Namen von Unrecht.
Jandls „Wende“, gewendet
Lyrifants Mailied, in Anlehnung an Ernst Jandls „Markierung einer Wende“
202?
mai
krieg
krieg
krieg
krieg
krieg
krieg
krieg
Mathematik des Krieges
Krieg addiert:
Tote um Tote und Versehrte
Krieg addiert:
Waffen und scheinbare Werte
Krieg subtrahiert:
Leben von blühender Jugend
Krieg subtrahiert:
Moral von politischer Tugend
Krieg multipliziert:
Schmerz mal Leid
Krieg multipliziert:
Gewinn mal Neid
Krieg dividiert:
Freunde durch Haltung
Krieg dividiert:
Risiko durch Spaltung
Krieg potenziert:
immer Krieg, niemals Frieden
Heuschreckenpazifismus?
„Ermutigende Literatur“ hatte Ule angeregt … hm! 🤔 – daher hier nun ein erster Gedanke in diese Richtung … (obwohl Mutlosigkeit eher meinem derzeitigen Lebensgefühl entspricht … wo ist die Friedensbewegung?)
lasst uns den Frieden
so lukrativ machen,
auf dass sich Kriege
nicht mehr lohnen!
Denk ich an Deutschland
Reminiszenz an Heinrich Heine
Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht.
Denk ich an Deutschland mitten am Tag,
Dann fühl ich nur Leid, Angst und Plag.
Denk ich an Deutschland am frühen Morgen,
Dann bin erfüllt ich von Kummer und Sorgen.
Denk ich an Deutschland am späten Abend,
Dann möchte Reißaus nehmen ich – trabend.
丹頂鶴. Ein Kranich-Haiku
In dieses Künstlerbuch mit dem Titel „The Red-Crowned Crane & The End of the World“ von Peter Granser mit Texten von Mari Kashiwagi habe ich mich total verliebt, insbesondere die auf das Wesentliche reduzierten Fotografien der Kraniche, die auf den ersten Blick wie Tusche-Kleckse, auf den zweiten Blick wie Schriftzeichen anmuten, haben es mir sehr angetan. Das Leporello-Buch ist erschienen bei der Edition Taube (dort noch mehr Bilder vom Buch zum Durchblättern) und ist derzeit ausgestellt im Rahmen der auch sonst sehr inspirierenden Ausstellung „Die Welt im Fluss. Über Bewegtes und Vergängliches in der Japanischen Kunst“ im Museum Angewandte Kunst Frankfurt.
mit Kranichzeichen
ans weiße Ende der Welt
zur Stille von Schnee
Frühlingszauber

kein Hokuspokus!
sie stehe an diesem locus
in voller Pracht im Fokus:
die Blüte des Krokus!