nein, die Liebe wird nicht alt

nein, die Liebe wird nicht alt –
nur die Gefühle werden kalt und krank
und sterben gar, vielleicht, und auch
das Herz wird langsam schwach
und schlägt nicht mehr so froh wie einst

nein, die Liebe wird nicht alt –
nur den Sinnen schwindet ihre Kraft
und die Nerven büßen ihre Stärke ein, es kann
auch sein, dass der Verstand sich neu sortiert
und die Vernunft beginnt zu schielen

nein, die Liebe wird nicht alt –
nur scheint, was einst so tief vertraut,
nun plötzlich überraschend fremd,
und was für immer fremd sein sollte,
wird vertrautes Ritual, wird zur täglichen Routine

nein, die Liebe wird nicht alt –
nur wir Liebenden, wir ganz gewiss

für Dich, mein Liebster, für 35 gemeinsame Jahre

zum tod von SAID

Dies sein letztes Gedicht, veröffentlicht heute posthum auf FAZ.net:

in manchen nächten
suchen platanen nach einem gott
der schweigen kann
die dunkelheit zieht sich zurück
der mond ruft die zikaden
die unbelehrbaren beten
auf eine geste des triumphs verzichten sie

SAID (27. Mai 1947 in Teheran – 15. Mai 2021 in München)

und in den kommenden tagen
suchen die liebenden nach dem dichter
der singen kann
sei nacht zu mir
ich ruf zurück die vögel
die ferne mutterlandschaft schweigt
auf eine geste der trauer verzichte ich

wahr ist geworden sein wort:
wo ich sterbe
ist meine fremde

Faltungen, lyrisch

inspiriert von Jürgen Küsters Faltungen-Projekt auf Buchalovs Blog

ich schreib mir eine   Fal
te   ins Gedicht

und falz mir keine   einfäl
lt, schreib ich mir glatt die Sorgfalt
aus dem Gesicht und falte sie auf
eine Spalte Papier

#ich zeige Faltung!

und schreib mir eine   Fal
te   ins Gedicht

zwiefältig, vielfaltig
fall mein Vers auf
kalten Asphalt