Ausweisung

Wer sich nicht ausweisen kann,
wird ausgewiesen.

Wer ausgewiesen wird,
bleibt für immer ohne Ausweis.

Wer aber einen Ausweis hat,
darf ausweisen.

Wer ausweist,
ist ausgewiesen ausgewiesen.

Denn:
Eine Ausweisung
ist ein Ausweis
ausgewiesener

Unmenschlichkeit.

 

“Heimat – was zum Kuckuck?!” ist das Motto des diesjährigen Open Ohr-Festivals. Eine kleine Idee, die mir schon länger zum Thema “Ausweisung” im Kopf herumspukt, habe ich deshalb heute noch mal aufgegriffen und zu einem vorläufigen Ende gebracht; sie passt ganz gut dazu, denke ich.

Vom Dichten

Manchmal
baue ich ein Gedicht,
wie der Architekt
ein Haus baut.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
sprießt.

Manchmal
male ich ein Gedicht,
wie der Maler
ein  Bild malt.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
spricht.

Manchmal
backe ich ein Gedicht,
wie der Bäcker
ein Brot bäckt.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
sprudelt.

Manchmal
webe  ich ein Gedicht,
wie der Weber
ein Tuch webt.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
spinnt.

Manchmal
komponiere ich ein Gedicht,
wie der Musiker
ein Lied komponiert.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
klingt.

Manchmal
drechsele ich ein Gedicht,
wie der Schreiner
ein Tischbein drechselt.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
tanzt.

Manchmal
bastele ich ein Gedicht,
wie das Kind
einen Papierflieger bastelt.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
fliegt – und
fliegt und
fliegt.

 

Auch wenn Du weg bist

Auch wenn Du weg bist,
spüre ich Dein Auge
auf meiner Haut,
lese ich Dein Lächeln
aus meiner Hand.

Auch wenn Du weg bist,
höre ich Deinen Mund
an meinem Haar,
trinke ich Deine Stimme
von meinem Kopf
bis zu meinem Fuß.

Auch wenn Du weg bist,
schmecke ich Dein Herz
neben meinem Herzen,
atme ich Deinen Atem
in meinem Atem.

Auch wenn Du weg bist,
bist Du da.

Wortfindungsstörungen

(überarbeitete Version)

Mir fehlen die Worte,
die ich verloren habe.

Ich suche nach Worten,
die mir entfallen sind.

Mir fallen Worte ein,
für die ich keine Worte finde.

Ohne Worte aber
bin ich
wortlos unglücklich.

Doch kaum ergreife ich
das erste Wort,
das fällt,
gibt ein Wort das andere.
Ich aber will das
letzte Wort haben.

 

(ursprüngliche Version)

Mir fehlen die Worte,
die ich verloren habe.

Ich suche nach Worten,
die mir entfallen sind.

Mir fallen Worte ein,
für die ich keine Worte finde.

Doch kaum ergreife ich
das erste Wort,
das fällt,
gibt ein Wort das andere.
Ich aber will das
letzte Wort haben.

So bleibe ich
ohne Worte,
wortlos
unglücklich.

 

Du meine Muse

Du meine Muse –
Du bist die Melodie,
die mir so leis’ ins Ohr klingt,
so dass ich
überall, doch kaum vernehmlich
vor mich hin summe.

Du meine Muse –
Du bist das Bild,
das mir so hell ins Aug’ blitzt,
so dass ich
immer und doch unversehens
kleine Skizzen aufs  Papier kritzle.

Du meine Muse –
Du bist das Wort,
das mir so zart das Herz berührt,
so dass ich
unwillkürlich
Gedicht um Gedicht um Gedicht schreibe.

Wenn ich ein Vöglein wär’

Wenn ich ein Vöglein wär’
Und auch zwei Flügel hätt’,
Flög’ ich zu Dir.

Wenn ich ein Fischlein wär’
Und auch zwei Flossen hätt’,
Schwömm’ ich zu Dir.

Wenn ich ein Rehlein wär’
Und auch vier Beinchen hätt’,
Spräng’ ich zu Dir.

Da ich ein Menschlein bin
Und nur zwei Beine hab’,
Geh’ ich zu Dir.
Das kann nun langsam sein,
Das kann nun mühsam sein,
Doch komm’ ich zu Dir.

Selbst wenn ich ein Schnecklein wär’
Und keine Beine hätt’,
Blieb’ ich nicht hier
Und kröch’ zu Dir.