#frapalymo 2-nov-16: unheimlich

Der zweite Impuls “unheimlich” ist der Auftakt zu einem Doppelimpuls, der mit “heimlich” fortgesetzt wird: Dieses Wort setzt natürlich vielfältige Assoziationen frei, ich bin am Wort geblieben: un-heim-lich.

unheimlich
ist mir dort, wo
in aller Unheimlichkeit
Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten,
ein Heim verweigert wird,
dort, wo sie
in aller Heimlichkeit
in die Unheimischheit verbannt oder
dorthin abgeschoben werden, was
man wohl Unheimat zu nennen hat,
dort ist mir
unheimlich

Ausweisung

Wer sich nicht ausweisen kann,
wird ausgewiesen.

Wer ausgewiesen wird,
bleibt für immer ohne Ausweis.

Wer aber einen Ausweis hat,
darf ausweisen.

Wer ausweist,
ist ausgewiesen ausgewiesen.

Denn:
Eine Ausweisung
ist ein Ausweis
ausgewiesener

Unmenschlichkeit.

 

“Heimat – was zum Kuckuck?!” ist das Motto des diesjährigen Open Ohr-Festivals. Eine kleine Idee, die mir schon länger zum Thema “Ausweisung” im Kopf herumspukt, habe ich deshalb heute noch mal aufgegriffen und zu einem vorläufigen Ende gebracht; sie passt ganz gut dazu, denke ich.

Bitte einer Dünnhäutigen

Wer vollmundig
Brandanschläge gegen Asylheime verurteilt,
aber nur halbherzig
das Herz hat, die Brandstifter zu verfolgen –

Wer doppelzüngig
die Willkommenskultur feiert
und dabei engstirnig
die Stirn hat, die Grenzen zu schließen –

Wer pausbäckig und rotwangig
Europas Werte verteidigt
und großmäulig und breitbeinig
ein Integrationspflichtgesetz einfordert,
aber hochnäsig
über die Schutzsuchenden die Nase rümpft
und dickköpfig
nur Obergrenzen im Kopf hat –

der tritt leichtfüßig
des Menschen Recht mit Füßen,

der wirkt eigenhändig
der neuen Rechten in die Hände,

der läuft blauäugig
dem Abgrund ins Auge.

Dünnhäutig, wie ich bin,
habe ich nun
nur noch eine Bitte:

Bleibt feinfühlig,
hellhörig und
weitsichtig.

Nicht eigens dafür geschrieben, aber sicher auch ein Beitrag, der gut in das Projekt “Gegen das Vergessen” passt. Die anderen Beiträge zu diesem Projekt habe ich verlinkt unter meinem ersten  Beitrag “gegen das vergessen”.

Gastfeindschaft

Wo aus einem “Willkommen!”
ein “Willgehen”, will heißen:
ein “Ich will, dass sie gehen” wird.

Wo man statt freundlich “Herein!”
feindselig “Raus!” ruft.

Wo der Einladung
schon bald die Ausweisung folgt.

Wo man den herzlichen Empfang
zu einer herzlosen Gefangennahme machen will.

Wo man statt eines Obdachs
eins auf’s Dach bekommt.

Wo man statt einer Herberge
nur ein “Hinweg!” findet.

Wo sich die Begrüßung
in eine Verabschiedung,
in eine Verabschiebung verkehrt.

Dort ist nicht “Die Welt
zu Gast bei Freunden”.
Dort sind arme Menschen
Fremde unter Feinden.