meist fühl ich mich wie
ein invalider Tausendfüßler:
irgendein Bein hinkt immer
ein Artikel zum Gendern
der Mensch,
das Tier,
die Sache:
da weiß frau gleich,
was Sache ist
das Mensch,
das ist die Frau,
das böse Mädchen:
da beißt die Maus (oder der Mäuserich?)
keinen Faden (keine Fädin?) ab
und für divers fehlt
der/die/das Artikel:
der/die/das Sprache
ist doch gar verqueer!
wie einfach ist es doch,
wennd’ alemannisch schwätze dusch:
d’Mensch, d’Mann,
d’Frau, d’Sach’ –
nur sell s’ müsst gehn:
s’Mädle wird d’Mädchen
und s’Tier wird d’Tier –
das geht dann auch queer!
vom Wasser
sing ich mir
ein blaues Aquarell
aus Wellen, Wind und
Licht mal ich mir blaue
Verse in den Himmel: nass
in nass schreib ich vom Wasser mir
die blauen Tropfen Stern für Stern
auf meine schuppichte
Schwimmhaut
Impression mit Kompression
eigentlich fehlen mir Zeit und Muße, um mich an #juniverse von https://www.silbenton.de/ regelmäßig zu beteiligen, aber die “Sandaletten” vom 12.6. haben mich zu diesem ironisch-selbstmitleidigen Liedchen inspiriert – allen, denen es ähnlich geht, zum Trost
der sechste Sommer ist es nun,
den ich in Strumpf verbringen muss,
und keinen Sommer wird es je mehr geben,
in dem barfuß gehen kann so mit Genuss
und jeden Sommer hab ich nun die Impression,
dass alle andern ihre Füße in Sandalen stecken,
nur ich allein trag Kompression –
das kann schon Neidgefühle wecken,
wenn nicht sogar noch Depression
sich setzt in alle meine Ecken
der sechste Sommer ist es nun,
in dem ich Tag für Tag die Strümpfe trag,
auch wenn das Thermometer steigt
und ich selbst im Winter Strümpfe gar nicht mag
und jeden Sommer hab ich nun die Impression,
dass ich es eines Tages wagen werd:
da pfeif ich dann auf alle Kompression
und gehe wieder barfuß durch den Sommer –
den letzten Sommer wär’s mir wert!
Modi des Sterbens
klar, niemand will sterben.
und, ja, niemand soll sterben.
aber natürlich können wir sterben.
und am Ende müssen wir alle sterben.
warum aber sollten wir nicht auch sterben
dürfen?
Kurzglückfragmente (23)
zwischen zwei Staus auf der Autobahn:
den lichtblauen Schimmer
der Hagemeisterschen Havellandseen
als Erinnerung noch auf der Haut
und plötzlich
den schwarzgrünen Duft der Kiefern
aus den vorbei ziehenden Leistikowschen Wäldern
frisch in der Nase
dieses Gefühl der Geborgenheit
es ist das Privileg der Liebenden,
die zufällig hier geboren sind:
ich genieße es Tag für Tag,
mich geborgen zu fühlen
in Deiner Nähe
es ist der Fluch der Liebenden,
die hier im Exil leben müssen:
ich werde Dir nie – das weiß ich –
so nah sein können, dass Du
Dich geborgen fühlen wirst
in meiner Nähe
wie verwegen doch dieses Gefühl
der Geborgenheit ist, das mir die Nähe
des Ungeborgenen zu schenken vermag –
und wie vermessen letztlich mein Wunsch:
zu hoffen, ich könnte Dir etwas davon zurückgeben
die stillen Abende
die stillen Abende
sind’s, die ich so mag
und wo ich find
die Ruhe nach dem Tag
die stillen Abende
sind’s, die ich so brauch
und wo ich spür
die Harmonie von Kopf und Bauch
die stillen Abende
sind’s, die ich so lieb
und wo ich weiß
mich frei von Nimm und Gib
die stillen Abende
sind’s, die ich so mag
und wo ich bin
ganz eins mit Nacht und Tag
Sackgasse
rechts abbiegen, um
Krisen und Probleme
links liegen zu lassen –
ein Weg, der geradewegs
in eine Sackgasse führt:
wo niemand mehr weiß, wo
rechts und links ist
nein, die Liebe wird nicht alt
nein, die Liebe wird nicht alt –
nur die Gefühle werden kalt und krank
und sterben gar, vielleicht, und auch
das Herz wird langsam schwach
und schlägt nicht mehr so froh wie einst
nein, die Liebe wird nicht alt –
nur den Sinnen schwindet ihre Kraft
und die Nerven büßen ihre Stärke ein, es kann
auch sein, dass der Verstand sich neu sortiert
und die Vernunft beginnt zu schielen
nein, die Liebe wird nicht alt –
nur scheint, was einst so tief vertraut,
nun plötzlich überraschend fremd,
und was für immer fremd sein sollte,
wird vertrautes Ritual, wird zur täglichen Routine
nein, die Liebe wird nicht alt –
nur wir Liebenden, wir ganz gewiss
für Dich, mein Liebster, für 35 gemeinsame Jahre
eine Frage an Einstein
wie lang ist das Leben,
wenn wir es beginnen!
wie kurz ist das Leben,
wenn wir an seinem Ende stehn!
wie aber ist das Leben bemessen,
während wir gerade dabei sind zu leben?
mit würde
würde ich mich
meiner würde
würdig zeigen,
würde ich noch heute
die würde des menschen
– weder würdevoll noch würdelos –
in den würdegriff nehmen:
werde was würde