wenn alles
auf dem Kopf
steht, rutscht mir
das Herz ins Hirn
und der Darm
nimmt alles
in die Hand
und ich
kann nur noch
mit dem Anus
denken
Autor: Lyrifant
was wir sind
wir sind geworden, was
man von uns erwartet hat:
wir sind, was man ist
man hatte von uns erwartet, dass
wir werden, was man wird: wir wurden, was
man von uns erwartete, dass wir es würden
was man so nicht erwarten kann:
dass wir sind, was wir sind
Finten
was, wenn das Leben
vielleicht nur eine Finte
des Todes wäre?
und was, wenn dieser Gedanke
nur eine Finte des Lebens wäre, um
den Tod hinters Licht zu führen?
Ansichtssache
„So schnell
stirbt es sich nicht“,
pflegte mein Arzt
zu sagen.
„Korrekt“, bestätigt
die Schildkröte.
„Einspruch“, protestiert
die Eintagsfliege.
„Schnell
wäre mir lieber, aber bitte
nicht so bald“,
denke ich.
mitten im Tod
Media vita in morte sumus.
mitten im Leben
sind wir im Tod –
so heißt es
schöner wäre dies:
mitten im Tod
lasst uns im Leben sein
Mutter und Tochter
wenn ich an uns denke, bist du
meine Mutter und ich deine Tochter:
die Tochter meiner Mutter
wenn du an uns denkst, bin ich
deine Tochter und du meine Mutter:
die Mutter deiner Tochter
wozu noch?
wozu noch? wozu?
alles geht zu. zu um zu.
ich bleibe wo? wo bin ich noch?
kein wohin mehr, kein wozu.
wozu noch? wozu?
auf gut Glück
an manchen Tagen
bleiben die Wörter stur
in ihren Ecken hocken
kein Reim
kann sie locken, sie
bocken und zicken
und mir bleibt nur
zu nicken und
zocken
bessere Tage
einst
werden bessere Tage
kommen, gewiss – allerdings
werden diese besseren Tage
gewiss schlechter sein als
die schlechteren Tage
von einst
von meiner Sehnsucht
morgens streife ich die Spinnweben
von meiner Sehnsucht, vergeblich
suche ich nach den Spinnen, nur
nachts kann ich sie weben hören
bald werde ich Moose und Flechten
von ihr entfernen müssen, vielleicht
kann ich die Pilze finden, die früher
auf ihr bis in die Himmel wuchsen
abends stelle ich ihr etwas Wasser hin –
ich weiß, das kann die eifrigen Spinnen
nicht vertreiben, es schützt auch kaum
vor Moosen und Flechten
vielleicht aber lässt es
alte Pilze gedeihen
eine Frage der Perspektive?
Putins Krieg: böse sei er,
unnötig und völkerrechtswidrig –
ja, gewiss: Krieg ist eben
Krieg!
unser Krieg aber: gut sei er,
notwendig und legitim –
wie das? Krieg ist doch
Krieg!
Eltern und wir
wir sollten es einmal besser haben
als sie, so wollten und wollen sie es
wir haben es heute wirklich besser
als sie, so schmollen sie nun
wir dächten wohl, wir seien etwas Besseres
als sie, so grollen sie uns
wir aber wollten doch nur ihren Wunsch erfüllen
und ihnen damit unseren Dank zollen