Am achtundzwanzigsten Impuls – “endlich”, zweiter Teil des Doppelimpulses zu “unendlich” – konnte ich nicht vorübergehen, ohne mit seinen beiden Bedeutungen zu spielen.
endlich
leben ist endlich
lasst uns deshalb
endlich leben
Am achtundzwanzigsten Impuls – “endlich”, zweiter Teil des Doppelimpulses zu “unendlich” – konnte ich nicht vorübergehen, ohne mit seinen beiden Bedeutungen zu spielen.
endlich
leben ist endlich
lasst uns deshalb
endlich leben
Der siebenundzwanzigste Impuls – „unendlich“ – hat mich erneut zu einem kleinen Liebesgedicht inspiriert (und offenbar wirkt das Tiefseewesen noch nach).
unendlich
unendlich
eintauchen
in deine Liebe
bis zum Grund
und weit darüber
hinaus
unendlich
Der sechsundzwanzigste Impuls – „medientransfer: straßengeräusche (link!) – schreibt ein gedicht zu den geräuschen der stadt“ – fiel mir, dem Augenmenschen, nicht wirklich leicht. Doch bevor ich ein Gedicht über mein inneres Taub-Sein hätte zum Besten geben müssen, hat mich die Sprache – wie schon so oft – gerettet; und so entstand diese kleine Reimspielerei zu den Geräuschen der Stadt:
Lausch den Geräuschen der Stadt
dem Rauschen lauschen:
Stimmen schwimmen
in Fänge der Klänge
schöne Töne schwärmen
lärmen zwischen Zischen
und Klicken ein Ticken
da Krachen, da Lachen
im Poltern ein Stolpern
ein Ächzen, ein Krächzen
Gedröhne, Gestöhne
ein Singen in Dingen,
die klingen, im Klingeln
ein Kringeln, im Strudeln
ein Dudeln – ach!
es brummt und summt
surrt und schnurrt und knurrt
und in die schrille Stille
schneit, was schreit
blutet, was tutet
hör genau hin, lass
dich nicht täuschen von
Geräuschen
In erster Reaktion auf den fünfundzwanzigsten Impuls – “nachmittagstraum: umschulung zum tiefseewesen” (ein tweet von klaus aka @reticulum) – stand da:
tiefer
tiefer
tiefer
noch tieferkeine Luft mehr
durchgefallenDann aber wollte ich mich doch nicht so sehr an der “(um)schulung” orientieren, sondern lieber auf das “tiefseewesen” einlassen:
am grund
aus dem stillstand
in den tiefgang
in schräglage
nimmermüder gedankenfluss
mich freischwimmen und
durch haut und haar
worte atmen
Den vierundzwanzigsten Impuls – „wiederholungen erwünscht“ – erwidere ich mit einer Hommage an Ernst Jandl und die Konkrete Poesie:
Tag für Tag
Tag
Nacht
Tag
Nacht
Tag
Nacht
Tag
Nacht
Tag
Nacht
Tag
Nacht
Tag
Nacht
Tag
Nacht
Tag
Nacht
Tag
Nacht
Nacht
Nacht
oder:
tagein, tagaus
tagein
tagaus
tagein
tagaus
tagein
tagaus
tagein
tagaus
tagein
tagaus
aus die maus
Oje, beim dreiundzwanzigsten Impuls – „schreibt ein grünes pantun“ – hab ich erst einmal gedacht: “Jetzt steig’ ich aus. Das krieg ich auf Knopfdruck so nicht hin.” Aber wirklich eine spannende Form! Das hat mich dann doch gereizt. Dass es hätte reimfrei sein dürfen, hab ich erst heute Morgen realisiert… nunja, da war mein kleines sinnfreies (?) Tiergedicht schon da:
Das verliebte Fröschlein
Ein traurig’ Fröschlein saß im grünen Grase.
Es hatte sich gar frisch verliebt.
Das Ziel der grünen Liebe war ein Hase.
Es staunte, dass es sowas gibt.
Es hatte sich gar frisch verliebt,
Das Fröschlein dort im Wiesengrund.
Es staunte, dass es sowas gibt.
Ihm war im Kopf so kunterbunt.
Das Fröschlein dort im Wiesengrund,
Es konnt’ es einfach nicht verstehen.
Ihm war im Kopf so kunterbunt.
Wie sollt’ es ihm denn nun ergehen?
Es konnt’ es einfach nicht verstehen:
Das Ziel der grünen Liebe war ein Hase.
Wie sollt’ es ihm denn nun ergehen?
Ein traurig’ Fröschlein saß im grünen Grase.
Der zweiundzwanzigste Impuls – „schreibt ein rotes elfchen“ – fiel mir nicht so leicht wie das “blaue tanka”. Das mag daran liegen, dass ich kein so gutes Verhältnis zur Farbe Rot habe (wohlgemerkt als Farbe, nicht politisch 🙂 ). Und wohl auch daran, dass ich mit Elfchen nicht so gut kann: Sie sind zwar schön kurz, und ich habe auch nichts gegen strenge Formvorgaben, aber ich glaube, mich stört, dass sich das Elfchen der üblichen Syntax widersetzt… Und so habe ich also Versuch um Versuch geschrieben und geschrieben (von Rotwein, von Liebe und Hass, von Kirschen, vom Mohn, vom linken Herzen, vom Rotfuchs usw.) – aber alles nicht wirklich vorzeigbar. Aber dann standen plötzlich diese Zeilen im Raum:
Rotes Elfchen
Angst
Nachtrotes Ungeheuer
Schläft in mir
Ich wecke sie nicht:
Morgenröte
Der einundzwanzigste Impuls – „schreibt ein blaues tanka“ – kommt mir doch sehr entgegen. Ich liebe die Farbe Blau, und ich mag es gern kurz. Ja, und überdies habe ich mich in diesem Sommer auch schon ein bisschen intensiver als bisher auf Haiku und Tanka eingelassen, also: Ein blaues Tanka, aber gern doch!
blaues tanka
heidelbeerenblau
die lippen, augenblick ins
kindheitshimmelblau
ohr an welt, füße im see –
heut noch: den kopf voller blau
Der zwanzigste Impuls – „lichtscheue wesen“ – hat mich zu einem kleinen allegorischen Tiergedicht inspiriert:
Lichtscheue Motten
Lichtscheue Motten
schwirren länger – ja,
aber sie haben
viel weniger
Spaß.
Mit dem neunzehnten Impuls – „wählt 10 buchtitel und nutzt ausschließlich diese wörter für ein gedicht“ – habe ich mir einen lang gehegten Wunsch erfüllt: Schon immer wollte ich eine Collage aus Buchtiteln machen… Und so stellte ich mich nun vor mein Bücherregal – doch je nachdem, wo ich stand und sammelte, kam etwas anderes heraus. Und jetzt kann ich mich einfach nicht entscheiden… und so bekommt Ihr heute drei “Gedicht-Versuche” (richtige Gedichte sind es wohl noch nicht…). Noch hänge ich an den Titeln selbst, es ist mir leider noch nicht gelungen, mich von ihnen zu lösen und nur das Wortmaterial zu benutzen, wie Sophie es vorschlägt. Falls da noch was in Gang kommt, werde ich es einfach dazustellen…
Versuch 1 – vor dem Lyrik-Regal:
berührte orte
ich steh auf den treppen des winds
auf wolkenbürgschaft
wind und gras
so knallvergnügt
herz über kopf
die hand voller stunden
wintergrün
in meinen träumen läutet es sturm
ruf zurück die vögel
Dies also ein Gedicht aus den Titeln der folgenden Gedichtbände:
Versuch 2 – vor den Romanen:
aufbruch
transit. kein ort. nirgends.
zwischen zwei scheiben glück:
rot die wand. das ungeheuer.
das blaue licht
an der biegung des großen flusses:
novemberinsel
Dieses Gedicht ist montiert aus folgenden Roman-Titeln:
Versuch 3 – vor dem Iran-Regal
Kelidar
Vergesst Deutschland! Hier ist Iran!
Das Land, in dem meine Eltern umgebracht wurden.
Dein Name: Kelidar. Landschaften einer fernen Mutter.
Jene Tage: Außenhaut, Binnenträume.
Wo ich sterbe ist meine Fremde.
Nachts ist es leise in Teheran.
Dieses Gedicht ist montiert aus folgenden Titeln:
Versuch 4 – nochmal vor dem Lyrik-Regal (siehe oben), aber nur mit dem Sprachmaterial
wintertraum
in meinen träumen berührte
ich den wind die vögel
auf wolkenruf sturm
auf den treppen voller
stunden knallkopfüber
zurück ins gras, wintergrün
mein herz läutet: ich steh auf
Der achtzehnte Impuls – „faszination fensterblick: eisblumen“ – hat in mir diese Verslein geweckt:
Eisblumen
Eisblumen blühen
auf der Regenbogenhaut
meines Auges
mein Blick
schneeverweht
Der siebzehnte Impuls – eine Frage von Max Frisch: “Möchten Sie das absolute Gedächtnis?” – hat bei mir ein klares “Nein!” hervorgerufen und mich dazu gebracht, ein “Loblied auf das Vergessen” zu schreiben. Blödeln war ja ausdrücklich erlaubt! – Eine ernste Antwort auf diese Frage würde dagegen wohl eher so ausfallen wie der Titel des Gedichts von Sophie: “nein ja nein”…
Loblied auf das Vergessen
Das Vergessen ist mir lieb,
denn in meinem Kopf das Sieb
wirkt befreiend allermeist:
Es räumt auf in Seel’ und Geist.
Ach, wie schön, dass mir entfallen
Dinge, die mir nicht gefallen.
Auch vergess’ ich mit Genuss
Dinge, die ich machen muss.
Warum mühsam rumgepuzzelt?
Ich sag lieber: „Hab’s verschusselt.“
Und zu dem, was mir da sitzt
tief im Nacken: „Oh! Verschwitzt!“
Was mir nur verursacht Falten,
kann ich einfach nicht behalten.
Denn ich hab’ in meinem Kopf
lieber Platz statt alten Zopf.
Ach, wie schön ist das Vergessen!
Denn: Erinnerungen können stressen
und nicht alles ist es wert,
dass es das Gedächtnis teert.
Ach herrje, jetzt ist’s geschehen!
– Ja, das war vorherzusehen. –
Tja nun: Das Gedicht ist jetzt gegessen,
denn den Schluss hab‘ ich – vergessen.