#frapalymo 17-nov-16: “Möchten Sie das absolute Gedächtnis?”

Der siebzehnte Impuls – eine Frage von Max Frisch: “Möchten Sie das absolute Gedächtnis?” – hat bei mir ein klares “Nein!” hervorgerufen und mich dazu gebracht, ein “Loblied auf das Vergessen” zu schreiben. Blödeln war ja ausdrücklich erlaubt! – Eine ernste Antwort auf diese Frage würde dagegen wohl eher so ausfallen wie der Titel des Gedichts von Sophie: “nein ja nein”…

Loblied auf das Vergessen

Das Vergessen ist mir lieb,
denn in meinem Kopf das Sieb
wirkt befreiend allermeist:
Es räumt auf in Seel’ und Geist.

Ach, wie schön, dass mir entfallen
Dinge, die mir nicht gefallen.
Auch vergess’ ich mit Genuss
Dinge, die ich machen muss.

Warum mühsam rumgepuzzelt?
Ich sag lieber: „Hab’s verschusselt.“
Und zu dem, was mir da sitzt
tief im Nacken: „Oh! Verschwitzt!“

Was mir nur verursacht Falten,
kann ich einfach nicht behalten.
Denn ich hab’ in meinem Kopf
lieber Platz statt alten Zopf.

Ach, wie schön ist das Vergessen!
Denn: Erinnerungen können stressen
und nicht alles ist es wert,
dass es das Gedächtnis teert.

Ach herrje, jetzt ist’s geschehen!
– Ja, das war vorherzusehen. –
Tja nun: Das Gedicht ist jetzt gegessen,
denn den Schluss hab‘ ich  –  vergessen.

gegen das vergessen

Dieses Gedicht ist ein Beitrag zu der von Sylvia Kling initiierten Aktion “Gegen das Vergessen”.

gegen das vergessen: erinnern –
erinnern an die geschichten der geschichte,
die wir in unserem innern lieber verborgen halten,
inne werden dessen, was wir ausschließen,
inne werden derer, die draußen sind.

gegen das vergessen: gedenken –
gedenken der geschichten der geschichte,
an die wir nicht denken wollen,
denken an das, was ungedacht ist,
denken an die, die unbedacht sind.

gegen das vergessen: erzählen –
die geschichten der geschichte erzählen,
die wir lieber nicht zu unserer geschichte zählen,
sie unseren kindern immer wieder erzählen,
damit sie sie ihren kindern weiter- und weitererzählen.

gegen das vergessen: schreiben –
die geschichten der geschichte aufschreiben,
die noch immer ungeschrieben sind,
denen wir schon immer verschrieben sind,
damit sie sich unserem gedächtnis für immer einschreiben.

gegen das vergessen: handeln –
aus den geschichten der geschichte heute so handeln,
dass das, was gestern geschehen ist,
nicht heute,
nicht morgen,
nie mehr wieder geschieht.