wie lang ist das Leben,
wenn wir es beginnen!
wie kurz ist das Leben,
wenn wir an seinem Ende stehn!
wie aber ist das Leben bemessen,
während wir gerade dabei sind zu leben?
wie lang ist das Leben,
wenn wir es beginnen!
wie kurz ist das Leben,
wenn wir an seinem Ende stehn!
wie aber ist das Leben bemessen,
während wir gerade dabei sind zu leben?
würde ich mich
meiner würde
würdig zeigen,
würde ich noch heute
die würde des menschen
– weder würdevoll noch würdelos –
in den würdegriff nehmen:
werde was würde
inspiriert von Jürgen Küsters Faltungen-Projekt auf Buchalovs Blog
ich schreib mir eine Fal
te ins Gedicht
und falz mir keine einfäl
lt, schreib ich mir glatt die Sorgfalt
aus dem Gesicht und falte sie auf
eine Spalte Papier
#ich zeige Faltung!
und schreib mir eine Fal
te ins Gedicht
zwiefältig, vielfaltig
fall mein Vers auf
kalten Asphalt
nachts
suche ich Wörter, die
das heimliche Lächeln
der stillen Dinge ent-
decken
morgens
finde ich Dinge, die
auf den stummen Gruß
der Wörter leise ant-
worten
so lass ich meine Wörter
tanzen in den Mai tanzen
lass ich die Wörter im Mai
tanzen meine Wörter und
ich den Mai über sehe ich
die Wörter tanzen und mich –
dem Sommer entgegen
eben noch Sonne, da graupeln
sie schon wild und voller Übermut
durch die hellblaue Frühlingsluft:
Aprilschneefetzen
und eh du dich’s versiehst, schüttet
sich schon wieder die Sonne aus
vor Lachen
normalerweise
will ich nicht und
muss ich nicht
vor’s Haus
nach 21 Uhr
kaum aber
darf ich nicht und
kann ich nicht
vor’s Haus
nach 21 Uhr
dann
will ich unbedingt und
muss ich unbedingt
vor’s Haus
nach 21 Uhr
und die Vernunft
darf dann und
kann dann ebenfalls
vor’s Haus –
rund um die Uhr
eine Stunde für die Erde:
Licht aus!
lasst die Dunkelheit atmen:
es ist ihre Zeit – und gebt
der Erde für einen Atemzug
Ruhe
Ich weiß, es ist nur Symbolpolitik und hilft letztlich nicht. Aber es kann vielleicht ein Zeichen sein, ein Nicht-Licht-Zeichen.
was bleibt uns in diesen Tagen, als
die immer gleichen Wege zu gehen?
doch sind es ihrer so viele – zum Glück!
und gehst du dann mal dieses Stück,
mal jenes, in immer neuem Wechsel –
so öffnet sich für dich bei jedem Gang
auf immer gleichen Wegen
ein neuer Weg
Wir sind ja in der luxuriösen Situation, zweimal im Jahr den Jahreswechsel zu feiern: zum 1.1. und zum persischen Neujahrsfest, das in diesem Jahr auf den 20.3. fällt. Und was mir an solchen Schwellentagen so durch den Kopf geht, habe ich in diese Zeilen gepackt (eher eine Liste als ein Gedicht, ein Listengedicht sozusagen).
zu letztem Neujahr
hofften wir: neues Jahr, neues Glück
und ahnten: noch nichts
zu letztem Nourouz
hofften wir: nicht mehr lange
und wussten: noch zu wenig
zu diesem Neujahr
wussten wir: schon viel mehr
und hofften: schon bald
zu diesem Nourouz
wissen wir: doch noch nicht
und hoffen noch immer: bald
zu nächstem Neujahr
hoffen wir: endlich vorbei
und wissen: hoffentlich genug
zu nächstem Nourouz
ahnen wir: jetzt!
und hoffen: neues Jahr, neues Glück
wie es im Buche steht:
schwarz auf weiß
doch denk daran:
möglich ist, dass es lügt
wie gedruckt
es könnte reizvoll sein:
alljährlich von Zeit zu Zeit
unter einer dünnen Haut aus Eis
ganz still zu werden, zu verharren,
für eine Weile zu erstarren, um bald
in der Wärme erster Sonnenstrahlen
allmählich aufzutauen und aufs Neue
zu glucksen beginnen und zu gluckern,
zu sprudeln, zu fließen und zu strömen