Auf dem Boden der Stille
gedeiht dein Wort. Hör,
wie es zu blühen beginnt.
Best of Lyrifant
Hier findest Du die wirklich guten Gedichte von Lyrifant, also die Texte, die Lyrifant selbst am besten gefallen. Der Rest sind Eintagsfliegen, Spielereien, Fingerübungen… und Müll ist sicher auch dabei :-)
Glücksort
Der Ort,
an dem ich
ICH bin,
bist DU.
Meine Wunden trag ich offen
Meine Wunden
trag ich offen,
eure Finger
fürcht ich nun nicht mehr.
Die alten Ängste
hab ich abgelegt,
nie mehr werd ich
mir eure Augen überziehen.
Ein leichtes Fieber
streif ich mir über,
bevor ich zu euch geh.
Wohl fühl ich mich
in meiner neuen dünnen Haut.
auf ein Wort
wie viele Worte muss ich
in den Wörtern verlieren
wie viele Worte müssen
aus den Wörtern fallen
für das eine Wort?
Abenddämmerung am Meer
So, und nun doch noch eine echte dichterische Aneignung (nach dem Experiment Übersetzung). Und da mich das Meer kürzlich inspiriert hatte, mich auf Haiku und Tanka einzulassen, eben nun in entsprechender Form, wobei ich mir die Freiheit genommen habe, die Form zu überschreiten – aber ich fand, dass es genau so Sinn macht.
Abenddämmerung
am Meer: Dunkelndes Blau – nah
Ewigkeit allein.
Zwischen Sonnenuntergang
und Abendstern: Weite nur –
und Du!
Sommerende II
Spätsommersonne
bricht sich durch Frühherbstnebel:
Der Sommer kehrt heim.
Er wohnt in meinem Herzen,
heimlich, bis zum nächsten Jahr.
Mittelmeer
So trunken vor Glück
bin ich hier
am Meer, im Meer
sind sie dort
ertrunken, die Unglücklichen.
Ein Gedanke, den ich einfach nicht wegwischen kann – und wohl auch nicht wegwischen sollte: Ein Gedanke “gegen das Vergessen”.
und staune!
schau
ins Blau
von Himmel und Meer
schau – und staune:
wie schön ist die Welt!
lausch
dem Plausch
von Wellen und Wind
schau, lausch – und staune:
wie leicht ist die Welt!
tauch
ein in den Bauch
von Leben und Glück
tauch ein – und saug auf
das Leben, das Glück:
schau, lausch – und staune!
Glück
Ein kleines Dankschön an Eulenschwinge, die mich mit dem Wörtchen “abhanden” (in ihrem Gedicht “die lyrik ist mir abhanden gekommen”) aus dem Kreatief geholt hat – von diesen Wörtchen müsste es noch viel mehr geben! – und so hab ich einfach noch welche erfunden.
Kopfüber ins
Herzunter:
glückauf, glückab,
glückaus, glückein.
Überhaupt und
unterhaut: Kommt dir
voraugen das Glück
abhanden, liegt es dir
hinterrücks
vonherzen
zufüßen.
Meine verschlagene Sprache
Meine Sprache
hat mich
an einen Ort
verschlagen,
wo sie mir
die Sprache
verschlägt.
Sie lächelt
verschlagen
und hält mich
gefangen in ihrem
Verschlag.
Mondnacht
Der Vollmond nimmt
ein Sonnenbad
im Sternenmeer.
In dieser Nacht
kannst du,
was in den Sternen
geschrieben steht,
in den Mond schreiben –
in Sonnenschrift.
Die Sonnenuhr
in deinem Herzen
zeigt Mitternacht.
Es ist Mondzeit:
Deine Sternstunde
hat geschlagen.
Freundlicherweise zitiert von Chris – bei Vollmond! – auf seinem Blog “Wort und Stern”.
gegen das vergessen
Dieses Gedicht ist ein Beitrag zu der von Sylvia Kling initiierten Aktion “Gegen das Vergessen”.
gegen das vergessen: erinnern –
erinnern an die geschichten der geschichte,
die wir in unserem innern lieber verborgen halten,
inne werden dessen, was wir ausschließen,
inne werden derer, die draußen sind.
gegen das vergessen: gedenken –
gedenken der geschichten der geschichte,
an die wir nicht denken wollen,
denken an das, was ungedacht ist,
denken an die, die unbedacht sind.
gegen das vergessen: erzählen –
die geschichten der geschichte erzählen,
die wir lieber nicht zu unserer geschichte zählen,
sie unseren kindern immer wieder erzählen,
damit sie sie ihren kindern weiter- und weitererzählen.
gegen das vergessen: schreiben –
die geschichten der geschichte aufschreiben,
die noch immer ungeschrieben sind,
denen wir schon immer verschrieben sind,
damit sie sich unserem gedächtnis für immer einschreiben.
gegen das vergessen: handeln –
aus den geschichten der geschichte heute so handeln,
dass das, was gestern geschehen ist,
nicht heute,
nicht morgen,
nie mehr wieder geschieht.