Kapitel 5: Ein Grundgesetz für ein harmonisches Zusammenleben mit Wechselpelzen
Wir Besondere Pelzwesen geben die Hoffnung auf ein echtes harmonisches Zusammenleben mit den Wechselpelzen nicht auf: Die Mauer respektive der Elektrozaun zwischen Wechselpelz und Besonderem Pelzwesen muss weg! Für uns bedeutet jedoch Harmonie nicht Koexistenz in getrennten Lebensbereichen (was überdies nur einer Duldung unserer Spezies in den uns von den Wechselpelzen zugewiesenen Reservaten gleichkäme), sondern eine wirklich solidarische und von gegenseitiger Achtung gekennzeichnete Gemeinschaft. In diesem Sinne geben wir hiermit einen Entwurf für die ersten drei Artikel bekannt, die nach unserem Dafürhalten in einem Grundgesetz für ein harmonisches Zusammenleben von Wechselpelzen und Besonderen Pelzwesen keineswegs fehlen dürfen:
[Diese Zeichnung mit dem – leider stark verwitterten – Bärentatzenwappen des Obersten Bärenministeriums für Beziehungen zu anderen Lebensformen in der Ahornblatt-Spitze ist von unschätzbarem Wert. Es handelt sich um eine der wenigen doppelten Ahornblatt-Frottagen, die sich in ausgemalten Bärenhöhlen überhaupt finden.
Der Grundgesetzentwurf hat übrigens einen eigenen Platz in der Höhle: Er befindet sich in einer separaten, nach Osten ausgerichteten Nische, in die von oben besonders viel Licht fällt].
§ 1
Die Würde von Wechselpelz und Besonderem Pelzwesen ist unantastbar. Diese Würde ist gegenseitig zu respektieren. Sie schließt folgende Rechte ein: das Recht auf freie Brumm- und sonstige Lautäußerung, das Recht auf freie Unglaubens- und Glaubensausübung sowie das Recht auf Gleichheit aller Lebewesen vor dem Gesetz.
§ 2
Die aus dem Pelzwesen-Ehrenkodex und den Wechselpelz-„Menschenrechten“ zusammengeführte „Charta pellicea“ hat für Wechselpelze und Besondere Pelzwesen gleich verbindliche Gültigkeit und ist daher von allen betroffenen Lebewesen nach bester Lieb und Treu* einzuhalten.
* Anm. des Übersetzers: Das ist eine feste altbärische Sprachformel, die deutlich macht, dass Bären die Liebe über alle anderen Werte stellen.
§ 3
Die Vorräte der Wechselpelze und der Besonderen Pelzwesen sind friedlich und gerecht miteinander zu teilen, aber auch zu schützen. Jedes Lebewesen hat das Recht auf freien Vorratszugang, aber auch die Pflicht zu einem verantwortlichen Umgang mit den Vorräten unseres Großen Erd-Pelzwesens.*
* Anm. des Übersetzers: Was für Menschen einfach nur die Mutter Erde ist, denken sich Bären als ein ‘Großes Erd-Pelzwesen’, das väterliche, mütterliche und kindliche Eigenschaften in sich fasst.
Vancouver Island,
erstmals gegeben zu Beginn des Anthropozän,
letztmals aktualisiert im zweiten Monat der Winterruhe
[= im menschlichen Kalender: November] 2007
herausgegeben vom
Obersten Ministerium für Beziehungen zu anderen Lebensformen
So, und inzwischen gibt’s das natürlich auch als Büchlein.