Dichters Credo

Im Anfang
ist das Wort.
Und das Wort
ist bei mir.
Und das Wort
bin ich.

Im Anfang
ist das Wort.
Und das Wort
ist alles.

Alles ist
durch das Wort.
Ohne das Wort
ist nichts,
was ist.

Alles wird
durch das Wort.
Ohne das Wort
wird nichts,
was wird.

Im Wort
ist das Leben.
Und das Leben
ist das Licht.
Und das Licht
wird Gedicht.

Im Wort
bin ich Wort.
Und im Wort
werde ich Wort.
Und nur im Wort
werde ich Ich.

Im Wortrausch

wortreich, ja
mit einem Wortstreich
gründe ich ein neues Wortreich
aus altem Wortgut
entzünde ich heiße Wortglut
mir tut jedes Wort gut
in jedermanns Wortschwall
höre ich lieblichen Wortschall
jedes Wort ist ein Wortall
in seinem Wortlaut
wird jedes Wort laut
auf jedweder Wortart
eine fröhliche Wortfahrt
vorbei am Wortsinne
spinnt die Wortspinne
tote Wortwitze
würzen die Wortschwitze
selbst im Wortbruch
steckt ein Wortspruch
im Wortschatz
verborgen ein Wortschwatz
in jedem Wort ein Schatz

wortlos aber
stehe ich wortbloß
in meinem Wortlos
lass ich mein Wort los

Vom Dichten

Manchmal
baue ich ein Gedicht,
wie der Architekt
ein Haus baut.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
sprießt.

Manchmal
male ich ein Gedicht,
wie der Maler
ein  Bild malt.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
spricht.

Manchmal
backe ich ein Gedicht,
wie der Bäcker
ein Brot bäckt.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
sprudelt.

Manchmal
webe  ich ein Gedicht,
wie der Weber
ein Tuch webt.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
spinnt.

Manchmal
komponiere ich ein Gedicht,
wie der Musiker
ein Lied komponiert.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
klingt.

Manchmal
drechsele ich ein Gedicht,
wie der Schreiner
ein Tischbein drechselt.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
tanzt.

Manchmal
bastele ich ein Gedicht,
wie das Kind
einen Papierflieger bastelt.

Schöner aber ist’s,
wenn das Gedicht
einfach aus mir heraus
fliegt – und
fliegt und
fliegt.

 

Schreib

Schreib dich nicht ab.
Schreib dich auf.
Schreib dich aus.
Schreib dich ein in dein Leben.

Schreib dich nicht klein.
Schreib dich groß.
Schreib dich schön.
Schreib dich laut und deutlich.

Schreib dich nicht wund.
Schreib dich gesund.
Schreib dich rund.
Schreib dich bunt.

Schreib dich nicht fort.
Schreib dich um.
Schreib dich neu.
Schreib dich ins Reine.

Schreib dich nicht nach unserem Mund.
Schreib dich für die eigenen Augen.
Schreib dich uns hinter die Ohren.
Schreib dich uns ins Herz.

Vor allem aber:
Schreib.

Zentriert

Mit dem folgenden Gedicht werde ich mich wahrscheinlich ein bisschen unbeliebt machen. Aber ich gebe zu: Ich mag es nicht, wenn Gedichte regelmäßig (ohne Rücksicht auf ihren Inhalt) zentriert formatiert werden (und dies geschieht nicht nur in der Blog-Welt, sondern auch in wissenschaftlichen Arbeiten und sogar in dem ein oder anderen Lyrikband). Nur: Wozu macht man das? Ich verstehe es nicht und habe nun meine Meinung zu diesem Form-Problem in ein kleines polemisches und natürlich zentriert formatiertes Gedicht gegossen.

Ein zentriert formatiertes Gedicht,
das jedoch kein
Zentrum
hat, ist nicht mehr als
ein zentriert formatiertes Gedicht.

Für Leser jedweder Lesart

Ich schreibe nicht nur für
erlesene Belesene oder gar
eine Auslese handverlesener Leser.

Ich schreibe für
Lesestarke und Leseschwache,
Lesereiche und Lesearme,
Lesefleißige und Lesefaule,
Lesehungrige und Lesesatte,
Lesemutige und Lesescheue,
Leselustige und Lesemüde,
Lesekundige und Leseneue.

Ich schreibe für
Vor- und Nachleser,
Auf- und Ableser,
Ein- und Ausleser,
Miss- und Verleser,
Rauf- und Runterleser,
Drunter- und Drüberleser,
Kreuz- und Querleser,
Viel- und Wenig- und sogar für
Nichtleser.

Kurz: Ich schreibe für
Leser jedweder Lesart.

Hymne auf das Wörterbuch

Das liebste Buch
ist mir das
Wörterbuch.

Es nennt
die Wörter
bei ihrem Namen.

Es sieht
den Wörtern
ins Gesicht.

Es kennt
der Wörter
Her- und Zukunft.

Es spricht
der Wörter
Sprache

und denkt
ein jedes Wort
zu Ende.

Es fasst
ein jedes Wort
in das ihm eigene Gefäß.

Es setzt
ein jedes Wort
in den ihm eigenen Satz.

Es träumt
die Wörter
zu Gedichten und Geschichten

und lässt doch
die Wörter
Wörter sein,

indem es
Wort und Sache
trennt

und für jedes seiner Wörter
in gleichem Maße
brennt.