Leider bin ich
eher Fliege als Wespe:
Immer wieder stoße ich
mit dem Kopf gegen das
geschlossene Fenster,
wohingegen die Wespe
nach ein, zwei Fehlversuchen
durch die offene Tür
wieder ins Freie fliegt.
Gedicht
Grundsatzfrage
Muss, wer
sein Paradies auf Erden
finden will, zuvor
durch seine eigene Hölle
gehen?
Weiß der Himmel!
Abenddämmerung am Meer
So, und nun doch noch eine echte dichterische Aneignung (nach dem Experiment Übersetzung). Und da mich das Meer kürzlich inspiriert hatte, mich auf Haiku und Tanka einzulassen, eben nun in entsprechender Form, wobei ich mir die Freiheit genommen habe, die Form zu überschreiten – aber ich fand, dass es genau so Sinn macht.
Abenddämmerung
am Meer: Dunkelndes Blau – nah
Ewigkeit allein.
Zwischen Sonnenuntergang
und Abendstern: Weite nur –
und Du!
Abenddämmerung am Meer. Übersetzung
Heute war ich bei einem wunderschönen Konzert des Vokalensembles “Capella Moguntina”: “Zehn Sommer und eine Nacht”. Ein Stück hat es mir dabei besonders angetan: “Tonight Eternity Alone” von René Clausen nach einem Gedicht von Thomas S. Jones Jr. (1882-1932). Clausen hat den Text ein wenig modifiziert, aber im Programmheft war ein Teil des Originals abgedruckt – das hat mich neugierig gemacht. Und nun begebe ich mich auf für mich ungewöhnliches Terrain (denn mit Englisch hab ich es nicht so): Ich versuche mich an einer (nachdichtenden) Übersetzung, unter dem Eindruck des Konzerts und in frischer Erinnerung an eine schöne Zeit am Meer. Hier das Gedicht im Original:
Dusk at Sea
To-night eternity alone is near:
The sea, the sunset, and the darkening blue;
Within their shelter is no space for fear,
Only the wonder that such things are true.The thought of you is like the dusk at sea —
Space and wide freedom and old shores left far,
The shelter of a lone immensity
Sealed by the sunset and the evening star.
Heute Nacht ist nahe einzig die Ewigkeit:
Das offene Meer, der Sonnenuntergang, das dunkelnde Blau.
Darin geborgen ist kein Platz für Angst,
Allein das Wunder, dass es wahr ist.
Der Gedanke an Dich ist wie die Abenddämmerung am Meer –
Offener Raum, große Freiheit, weit zurückgelassen die alten Ufer,
Die Geborgenheit einer einsamen Unermesslichkeit
Eingeschlossen in Sonnenuntergang und Abendstern.
Können
„Ich hätte ihn erwürgen können,“
sagte sie frei heraus.
Aber dann hat sie es doch vorgezogen,
ihn zu erschießen.
Das kann sie nämlich noch besser.
Vielleicht hätte sie ihn auch
erstechen, ertränken oder erdolchen können?
Ja, sie könnte das gut.
Nur vergiften hätte sie ihn nicht können,
denn sie hat gerade kein Gift im Haus.
Sommerende II
Spätsommersonne
bricht sich durch Frühherbstnebel:
Der Sommer kehrt heim.
Er wohnt in meinem Herzen,
heimlich, bis zum nächsten Jahr.
Sommerende
Spätsommersonne
bricht sich durch Frühherbstnebel:
Mein Herz hat Frühling –
still lacht es in den Winter,
der die Welt schon tief bedeckt.
wir schaffen das
Der Kabarettist Arnulf Rating hat uns heute in seinem (sonst eher mäßigen) Programm endlich einmal übersetzt, was der Ausspruch “wir schaffen das” eigentlich – wenn man ihn nämlich vervollständigt – bedeutet: “wir schaffen das Asylrecht ab”. Dieser kleine Gag am Rande hat mich zu dem folgenden Gedicht inspiriert.
wir schaffen das
wir schaffen das Asylrecht ab
wir schaffen das
wir schaffen das mit den Obergrenzen
wir schaffen das
wir schaffen das Boot zu leeren, das Meer zu füllen
wir schaffen das
wir schaffen das wunderschöne bunte Kriegsspielzeug an
wir schaffen das
wir schaffen das christliche Willkommenskulturgedöns weg
wir schaffen das
wir schaffen das ganz große Geld noch rechtzeitig für uns beiseite
wir schaffen das
wir schaffen das türkische Flüchtlingsentsorgungskommitee herbei
wir schaffen das
wir schaffen das gottverdammte Asylantenpack sofort zurück nach Hause
wir schaffen das
wir schaffen das „Refugees welcome“-Gesocks gleich mit rüber übers Meer
wir schaffen das
wir schaffen dass kein Flüchtling mehr lebendig über unsere Grenzen kommt
wir schaffen das
Der Unbär
Das schöne Wort “Unbär” in Heinrich Heines “Atta Troll. Ein Sommernachtstraum” (1841) hat mich zu diesem kleinen Text inspiriert.
„Ich bin doch kein Unbär“,
sagt der Bär, der von sich behauptet,
dass ihm nichts Bäriges fremd sei,
und er fügt hinzu, dass es doch
nur allzu bärig sei, wenn Inbären
Ausbären als Unterbären ansähen,
wodurch er sich als genau das
entlarvt, was mich veranlasst,
ihm jedwede Bärigkeit rundweg
abzusprechen, denn mit solchen
Äußerungen ist er einfach nur das,
was er demonstrativ leugnet zu sein:
ein Unbär.
Angerufen
Angerufen
hab ich Gott
in meiner Not.
Doch sein Handy
blieb aus und
seine Mailbox
sprang nicht an.
Der Wind
für Colorina und Negrito
Der Wind
ist eine Katze.
Er maunzt und raunzt,
murrt und schnurrt,
faucht und haucht,
schnaubt und staubt,
kratzt und schmatzt,
beißt und reißt,
zerrt und plärrt,
scharrt und schnarrt,
schmust und pfust,
schmiegt und siegt.
Im Wind
ist mein armes kleines Haus
nur eine erbärmliche Maus.
Mittelmeer
So trunken vor Glück
bin ich hier
am Meer, im Meer
sind sie dort
ertrunken, die Unglücklichen.
Ein Gedanke, den ich einfach nicht wegwischen kann – und wohl auch nicht wegwischen sollte: Ein Gedanke “gegen das Vergessen”.