zu nehmen und zu geben

sich vorzunehmen
nachzugeben

und hinzunehmen
herzugeben

auch mal zuzugeben
aufzugeben

sich zurückzunehmen
um sich hinzugeben

sich mit sich abzugeben
um sich anzunehmen

zu nehmen und zu geben
zu geben und zu nehmen

Dies ist übrigens das 500. Gedicht, das ich auf diesem Blog veröffentliche – ich kann es selbst kaum glauben.

Segen für 2017

zwei menschen in verbundenheit – das sollt ihr sein: mensch für mensch.
tausend augenblicke voller glück seien euch gegönnt: in jedem augenblick.
sieben heiße sommerwochen seien euch gewährt: einen sommer lang.
zehn träume lasst endlich wirklichkeit werden: traum um traum.

Meine Freundin Bärbel hat mir aus Metz ein kleines Büchlein mitgebracht: “vive la poésie. cahier d’activité”, ein Büchlein, das zum Dichten anregen soll (“nicht, dass du das nötig hättest”, betonte sie, als sie es mir gab). Das Akrostichon  mit Wörtern (nicht mit Buchstaben) hatte es mir dann doch gleich angetan: die perfekte Form für einen kleinen Neujahrsgruß.

verkehrte welt

für Aleppo und die vielen anderen Orte des Grauens

die gebliebenen
beneiden die geflohenen
die geflohenen wünschen
geblieben zu sein

die verwundeten
beneiden die toten
die toten wünschen
nie geboren zu sein

die neugeborenen
beneiden die ungeborenen
die ungeborenen wünschen
nie geboren zu werden

die lebenden
beneidet niemand mehr
die sterbenden wünschen
nur noch tot zu sein

auf frieden hofft
hier niemand mehr

Der Satz in den Nachrichten “Die Verwundeten beneiden die Toten” hat mich aus meiner Sprachlosigkeit geholt.

Sichtweisen

keine Einsicht ohne Aussicht
unter Aufsicht keine Zuversicht
keine Ansicht ohne Absicht
in der Vorsicht weder Nachsicht noch Rücksicht
ohne Umsicht keine Übersicht

bei Fernsicht nicht unbedingt Weitsicht
bei Nahsicht nicht unbedingt Scharfsicht
bei Klarsicht nicht unbedingt Hellsicht

nach Durchsicht nicht zwangsläufig Durchblick

Selbstporträt, exozentrisch-exzentrisch

Ein Querkopf
mit zwei linken Händen,
janusköpfig:
ein Dickkopf und
ein Kindskopf dazu.

Ein Blondschopf in Kindertagen,
blauäugig noch immer,
ein Dickwanst geworden,
schon immer ein Blaustrumpf und
eine Brillenschlange.

Den einen ein Freigeist,
den anderen ein Quälgeist,
durch und durch eine Nervensäge.
Doch leider auch
ein Hasenfuß.

Kein Großmaul, kein Schlitzohr,
kein Langfinger, doch auch kein Milchgesicht,
vielleicht ein Grünschnabel,
manchmal auch eine Lästerzunge,
ein Trotzkopf ja, ein Dummkopf? – nein.

Eine nicht ganz konsequente Spielerei mit dem Possessivkompositum…

Dinge

Unverrichteter Dinge vor
den letzten Dingen zu stehen,
ist, solange es mit rechten Dingen zugeht,
nicht jedermanns Ding.
Wer nicht über den Dingen steht
und nicht einfach der Dinge harrt, die da kommen,
der dreht noch rasch ein krummes Ding
und hofft dann, guter Dinge,
auf ein Ding der Unmöglichkeit, bevor ihm das Leben trotzdem
so ein Ding verpasst, dass er nur noch rufen kann:
“Das ist vielleicht ein Ding!”