leicht steigt der Nebel hoch
mir in den Kopf: komm, zeig mir
dein goldenes Licht! ich steh
am Rand der Klippe und denke
“ich kann fliegen”
und lasse mich
fallen
leicht steigt der Nebel hoch
mir in den Kopf: komm, zeig mir
dein goldenes Licht! ich steh
am Rand der Klippe und denke
“ich kann fliegen”
und lasse mich
fallen
ins Schweigen schreiben
das erste Wort, um Wort für Wort
ins Schreiben mich zu schweigen
ins Sprachlose
ein Wort pflanzen:
hoffen, dass es wächst
über das wunde Stumm hinaus
seh das Gedicht vor
lauter Wörtern nicht
mehr Licht am Ende
der Horizont ist viel weiter
ohne Worte sage ich
mehr
Wo Gefahr ist, sang Hölderlin einst,
wächst das Rettende auch.
Und wo Rettung naht, so seh ich heut,
baut Gefahr sich auf.
wenn Regentropfen
zu Schneeflocken werden:
kälter wird es, nass bleibt es –
aber sie fallen jetzt nicht mehr
nur einfach zu Boden (wo sie
sich auflösen in nasses Nichts),
nein, sie steigen voll Übermut
zuerst noch einmal hoch
in die Luft
und wieder heißt es:
Warten auf den Schnee, der
dann doch wieder nicht kommen
wird, der zwar immer wieder vorher-
gesagt wird, aber dann doch nicht
kommt, der immer nur anderswo
fällt, aber nie hier, wo ich warte:
Warten auf den Schnee, der
dann doch wieder nicht kommen
wird, so wie das große Glück, das
auch nicht kommt, nie kommen wird
und auf das ich auch immer schon
vergeblich warte
in Schnee schrieb ich
meine alten Lieder, schrieb sie
ins Reine – Vers für Vers: horch,
wie harsch sie knirschen
unter meinem Schritt
aus Schnee schreib ich
meine neuen Verse, schreib sie
ins Weiße – Flocke um Flocke: sieh,
wie forsch sie stieben
über meinem Kopf
von Schnee schrieb ich
meine alten Lieder, von Schnee
schreib ich meine neuen Verse: fühl,
wie sie schon beginnen zu schmelzen
in der noch verhaltenen Wärme
der Wintersonne
Lyrifants Adventskalender 2023 Türchen 16
sprich mir nicht von Schnee
an diesem schneelosen Ort:
schweig dichte lichte Flocken
mir in mein stummes Wort
sprich mir nicht von Klee
in dieser kleelosen Zeit:
sing neue scheue Triebe
mir in mein dürres Wort
sprich mir nicht von See
an diesem seelosen Ort:
schreib wilde milde Wellen
mir in mein wundes Wort
eigentlich sollte dies ein Gedicht werden.
doch eigentlich weiß ich nicht so recht,
was ich schreiben soll und warum eigentlich.
eigentlich kann ich Gedichte schreiben.
eigentlich Gedichte kann ich schreiben.
eigentlich schreiben kann ich Gedichte.
eigentlich ich kann Gedichte schreiben.
ja, ich kann Gedichte schreiben, eigentlich.
aber so wird das eigentlich kein Gedicht.
kein eigentliches Gedicht.
und während ich
– noch immer wartend auf den Schnee –
so vor mich hin schneie
stürmen da doch so Trumpisten
den amerikanischen Kongress, o!
kann ich nur noch singen:
let it snow
let it snow
let it snow