wohl dem, der
ein Zuhause hat
politische Lyrik
Gedanken am internationalen Welttag gegen Rassismus
einen Flügel stutzen,
wenn die Köpfe bleiben?
hat bei einer Hydra
wenig Nutzen …
Rassismus. Kein Gedicht
Ich gebe zu, es ist durchaus
ein verlockendes Narrativ:
Rassismus als Geisteskrankheit
zu begreifen.
Spinne weiter: Gehörten dann nicht
diese eine Partei und alle, die sie
wählen und unterstützen, in die
Psychiatrie? Oder zumindest doch
– im Dienste nationaler Sicherheit –
in Quarantäne?
Doch bedenke auch: Ließen wir uns
auf diese Diagnose ein, bedienten
wir uns der Rhetorik und der Metaphorik
derer, die genau dies wollen: Rassismus
als Krankheit einzelner Verwirrter
verharmlosen.
Nein, Rassismus ist keine Krankheit!
Rassismus ist Rassismus.
Kein Symptom.
Keine Diagnose.
Und erst recht kein Gedicht.
pfui!
ui,
wie dreist:
einfach ausgetrickst,
die einfache Mehrheit
hui,
wie fix:
doppelt ausgepielt,
die Demokratie
pfui,
wer da hat mitgespielt,
doppelzüngig
pfui,
wer da hat mitgetrickst,
mit einfachen Mitteln
zum bösen Zweck
Heute ist ein schwarzer Tag für die Demokratie in unserem Land: Ein 5%-FDP-ler ist sich nicht zu schade, sich mit den Stimmen der rechtsradikalen Höcke-AFD zum thüringischen Ministerpräsidenten wählen zu lassen (und dies mit Unterstützung der CDU).
zur rechten Zeit
die liebe Not tut uns
das rechte Wort
zur rechten Zeit:
es ist kein leichtes,
vielleicht ein linkes,
in jedem Falle
für alle Fälle
ein fälliges
Fragen, die wir uns vielleicht stellen sollten
wie weit genau gehe ich mit,
wenn ich da einfach so mitlaufe?
wobei mache ich eigentlich mit,
wenn ich da nur so mittue?
wofür klatsche ich da im Grunde mit,
wenn ich einfach nur mitlache?
muss ich wirklich alles mit,
nur weil ich halt mitwill?
tja, und was rede ich da immer mit,
wenn ich gar nicht mitdenke?
Altenstadt-Waldsiedlung
es bildet sich hier im Kleinen nur ab,
was im Großen schon längst
böse Realität ist: braun
gibt es leider in jeder Farbe
Klage
zum Tod von Werner Schneyder
und wieder
eine spitze Zunge
weniger
ach, unsre Welt
wird immer
stumpfer
Vom Gras
Das Gras würde ich wachsen hören,
sagen sie. Dabei wächst dieses Gras
bereits in Berghöhe und Baumdicke
um uns herum – laut wie eine Blas-
kapelle. Da wächst jetzt auch nie mehr Gras
drüber.
Da wächst jetzt kein Gras mehr, das
noch irgendjemand wachsen
hören könnte.
Was hetzt. Ein Ätz-Gedicht
Was hetzt und petzt,
verletzt, was grundgesetzt.
Was hetzt und Messer wetzt,
zerfetzt, was einst hier wertgeschätzt.
Was hetzt und noch dazu dumm schwätzt,
besetzt das wenig gute Letzt: Es ätzt und vergrätzt.
Drum seid entsetzt, jetzt! Widersetzt
euch dem und jedem, was und wer da hetzt.
Der Denunziant
Der größte Lump im ganzen Land,
das ist und bleibt der Denunziant.August Heinrich Hoffmann von Fallersleben zugeschrieben
Nun ist er wieder anerkannt:
der größte Lump, der Denunziant.
Hat er doch wieder Macht im Land
– wer hätt’s geahnt? – und so rasant.
Ein ausgedehnter Flächenbrand
erfasst die Welt vom rechten Rand
und schändet Glückes Unterpfand.
Empört euch, Menschen, Hand in Hand,
und leistet machtvoll Widerstand,
bevor Verstand- und Herzstillstand
gewinnen wieder Oberhand.
Lasst uns vertreiben diese Schand:
kein Platz hat hier der Denunziant!
Verwandtschaften
Auch wenn Du es nicht weißt –
Du spürst es:
Elend und Anderland
sind ein und dasselbe Wort.
Und Exil ist Umhergeirr,
im Aus.
Auch wenn Du es nicht weißt –
Du ahnst es doch:
Wer fremd ist,
ist einer von Fort-von
und nicht von Hin-zu
oder gar von Inmitten.
Du hast geglaubt:
Asyl, das sei
ein Unraub-Raum, wo
niemand Dir von Dir was nimmt.
Und jetzt denkst Du, dass
Flucht und Fluch Verwandte sind –
sie sind es nicht im Gegensatz zu uns
(was wir nur vergessen haben),
sind In- und Ausland doch dasselbe.