Mein Blaues Lied

für Ahmad Schamlu, eine Art Antwort

Mit meinem Blau
male ich Sterne

in das Blaue vom Himmel.

Mit meinem Blau
schreibe ich ins Blaue.
Ein Meer von blauen Gedanken.
Die Farbe
der Tinte ist königsblau.

Das Blau war außer sich vor Freude
Als wir geboren wurden.

O Blau der Welt!
Der blaue Vogel deines Auges

sucht noch immer die Blaue Blume.

Ein blauer Augenblick ist nun mehr Seele.

O Blau der Welt!
Der blaue Vogel deines Auges
sucht noch immer das blaue Wunder.

Ein blauer Tag. Blaue Stunde:
Mein blaues Klavier
spielt mein Blaues Lied.

Mir ist in solchen linden blauen Tagen,
als ob wir
mit einem blauen Auge
plötzlich sehen

daß Jahre später
          Heimat bedeutet
ein schimmerndes Blau.

Dieses Gedicht ist eine Collage aus Texten von

  • Rose Ausländer, Verwandelt
  • Heinrich Heine, Mit deinen blauen Augen
  • Rolf Dieter Brinkmann, Von der Gegenständlichkeit eines Gedichts
  • Elisabeth Borchers, Nerudas Blau
  • Paul Celan, O Blau der Welt
  • Yvan Goll, Der blaue Vogel deines Auges
  • Novalis, Die blaue Blume
  • Ernst Trakl, Kindheit
  • Hilde Domin, Ein blauer Tag
  • Stefan George, Blaue Stunde
  • Else Lasker-Schüler, Mein blaues Klavier
  • Joseph von Eichendorff, Was wollen mir vertraun die blauen Weiten
  • Ahmad Schamlu, Blaues Lied

Bis auf Novalis und Ahmad Shamlu sind alle Gedichte zu finden in: Blaue Gedichte. Hrsg. von Gabriele Sander. Stuttgart 2001, 2012. (Reclams Universal-Bibliothek 18925). Novalis’ ‘Die blaue Blume’ ist Teil seines Romanfragmentes ‘Heinrich von Ofterdingen’. Ahmad Schamlus Gedicht ‘Blaues Lied’ findet man in dem gleichnamigen zweisprachigen Gedichtband, übersetzt von Farhad Showghi.

Farbpoesie

Ich schreibe
mit SCHWARZer Tinte
auf WEISSes Papier.

Ich schreibe mich
auf den GRÜNen Zweig und
an den ROTen Faden.

Ich schreibe mir
das BLAUe vom Himmel und
das GELBe vom Ei.

Ich schreibe mir
die GRAUe Theorie
in BUNTe Verse um.

Ich schreibe mich
in Farbe.

Des Teufels neue Farben

“Schwarzmalerei!”
rufen die Schönfärber empört.

“Schönfärberei!”
ereifern sich die Schwarzmaler.

Da lacht der Teufel,
den ich an die Wand gemalt habe,
um ihn gleich wieder
mit einem Pinselstrich
zu übertünchen.

Er fordert mich auf,
endlich Farbe zu bekennen.
Ein neuer Anstrich
wäre ganz nach seinem Geschmack –
in welcher Farbe auch immer.

Ich wasche ihm die Tünche wieder ab
und bekenne freimütig:
Weder das Schwarz der Schwarzmaler
noch die bunte Palette der Schönfärber
würde ihm den Anstrich geben können,
der ihm entspräche.

Amokfarben II

Kunterbunt war ihre Welt.
In allen Farben des Regenbogens schillerten ihre Lebensträume
wie Seifenblasen in der Sonne.
Farbenfroh leuchtete ihre Zukunft

bis zu dem Schuss.
Danach war die Welt schwarz.

Amokfarben

Man schlägt ihn seelisch grün und blau.
Mit verquollenem Seelenauge sieht er die Welt nur grau
und malt alles schwarz,
was nur weiß übertüncht war.
Dann sieht er nur noch rot.

Nach dem Schuss
ist die Welt wieder bunt.

Lebensfarben

Die Farben der Kindheit

Der Himmel ist himmelblau,
grasgrün ist das Gras.
Die Erde ist erdbraun,
sonnengelb ist die Sonne.
Der Schnee ist schneeweiß,
rosenrot ist die Rose.
Der Wolf ist wolfsgrau,
rabenschwarz ist der Rabe.

Die Farben der Jugend

Rosarot leuchtet der Himmel,’
dunkelrot  duftet das Gras.
Samtrot schimmert die Erde,
glutrot neigt sich die Sonne.
Blutrot glänzt der Schnee,
mundrot blüht die Rose.
Der Wolf ist ein Fuchs,
der Rabe fortgeflogen.

Die Farben der Reife

Der Himmel ist azurblau
wie frisch erblühter Rittersporn zwischen den goldenen Ähren des Feldes,
zartgrün wie die eben den Knospen entsprungenen Blätter der Linde
ist das Gras.
Die Erde ist rotbraun,
wie Holz vom frisch gefällten Baum kurz nach dem Anschnitt,
goldgelb wie frisch geerntete Mirabellen vom Baum in Nachbars Garten
ist die Sonne.
Der Schnee ist eierschalenweiß
wie ein unbeschriebenes Blatt Papier vor dem ersten Wort,
dunkelrot wie eine pralle Kirsche nach einem sonnigen Sommer
ist die Rose.
Der Wolf ist dunkelgrau
wie indische Elefanten am Morgen nach ihrem ersten Bad,
kohlschwarz wie  schwitzender Teer in der Sommerhitze
ist der Rabe.

Die Farben des Alters

Der Himmel grau,
das Gras braun.
Die Erde schwarz,
die Sonne fahl.
Der Schnee gelb,
die Rose weiß.
Der Wolf ist tot,
vom Raben beweint.

Die Farben des Todes

Pechschwarz ist der Himmel,
schwarz wie Lakritze das Gras.
Lavaschwarz ist die Erde,
schwarz wie die Nacht die Sonne.
Ebenholzschwarz ist der Schnee,
schwarz wie Holunder die Rose.
Kohlrabenschwarz ist der Wolf,
schwarz wie ein Panther der Rabe.