#frapalymo 16-nov-16: „manchmal kann man auch mit gesenktem kopf ein stück himmel sehen.“

Der sechzehnte Impuls„manchmal kann man auch mit gesenktem kopf ein stück himmel sehen.“ (ein Tweet von @e_mm_e1; zu finden hier) – hat mich erst einmal den Kopf hängen lassen: Mit diesem schönen pointierten Satz ist doch alles gesagt, was soll man da jetzt noch machen? Was kann dabei mehr herauskommen als ein geschwätziges Gedicht? Aber dann haben sich doch noch Verse eingestellt, die an den Impuls anknüpfen, ohne ihn hoffentlich totzureden…

 

Perspektivenwechsel. Ein Yin und Yang-Spiel

Hast du den Kopf in den Wolken,
siehst du die Welt von oben.
In der Weite des Himmels kannst du
das Kleine im Großen sehen,
das Leise im Lauten hören,
das Dunkle im Hellen spüren.

Steckst du den Kopf in den Sand,
siehst du die Welt von unten.
In der Tiefe der Erde kannst du
das Große im Kleinen sehen,
das Laute im Leisen hören,
das Helle im Dunklen spüren.

#frapalymo 15-nov-16: fassbar

Mit dem fünfzehnten Impuls“fassbar” – hatte ich jetzt meine liebe Not, schließlich hatte ich mit meinem letzten Gedicht die Chance auf Korrespondenzen im Sinne des Doppelimpulses verwirkt. Doch dann hat mir der Mond geholfen (und die Erfahrung mit dem ‘Bibermond’ ist der Liebe auch gar nicht so unähnlich):

 

an den mond

fassbar nah
bist du heute

und doch
unfassbar fern

 

#frapalymo 14-nov-16: unfassbar

Beim vierzehnten Impuls“unfassbar” – konnte ich jetzt nicht widerstehen (auch wenn mich das für den folgenden Impuls “fassbar” in die Bredouille bringen wird): Das MUSSTE, das KONNTE NUR ein Liebesgedicht werden für meinen geliebten Mann, der mich liebt – schon dies: unfassbar! – und dies auch schon seit über dreißig Jahren: unfassbar!  – und der immer noch viele kleine Geheimnisse für mich bereithält: unfassbar!

 

unfassbar

Du

#frapalymo 13-nov-16: Tanz

Der dreizehnte Impuls„schaut auch diesen tanz (link) an und lasst euch durch bewegung, musik, ausdruck inspirieren“ (eine Anregung von @fliegergedanke; Tanz ab Minute 0:24) – führt mich in ein ganz neues Feld. Einen Tanz lyrisch umzusetzen, das hatte ich, soweit ich mich erinnern kann, noch nie versucht. Herausgekommen ist ein “Paargedicht”, also eine kleine Reflexion über das Paar-Sein, die allerdings nur ansatzweise der unbändigen Ausdruckskraft dieses tanzenden Paares gerecht wird.

 

Pas de deux

Schritt für Schritt
für Schritt für Schritt
Hand in Hand
Arm in Arm in
Arm in Arm
ganz Auge
ganz Ohr

Takt für Takt
für Takt für Takt
Schulter an Schulter
Bauch um Rücken an
Rücken um Bauch
ganz Körper, ganz Geist
in Liebe, in Leid

Ton um Ton
um Ton um Ton
Hand auf Arm um Schulter in
Freude in Leid auf Knie vor Brust vor
Schmerz auf Bauch auf Rücken aus
Liebe von Mund zu Ohr ins Auge um
Auge durch Leib in Seele

vier Arme vier Beine
zwei Körper zwei Herzen
ein Leben ein Tanz

#frapalymo 12-nov-16: kubistisches körpergefühl

Der zwölfte Impuls„kubistisches körpergefühl“ (eine Idee von @exnocte) – stellt wieder ganz neue Herausforderungen. Mir geht es damit wie Sophie: “ich habe noch keine ahnung, was ein kubistisches körpergefühl ist”, lasse Bilder vor meinem geistigen Auge vorüberziehen, horche in mich hinein. Hm, vielleicht so etwas:

mein Körper: kubistisch

mein Herz: mein Auge
meine Hand: mein Ohr
mein Mund: ein Strich
ein Punkt: mein Ich

#frapalymo 11-nov-16: abstrakte tiere

Für den elften Impuls – wählt einen oder zwei begriffsstudiobegriffe und bindet diese in euren text ein – bräuchte ich viel mehr Zeit (allein schon zum Durchstöbern und Durchforsten des Rinckschen Begriffsstudios), das gibt mein momentanes Arbeitsleben leider nicht her… Mein erster Impuls auf diesen Impuls war:

abstrakte tiere?
frau rinck, ich kapituliere.
vor diesem sammelsurium,
da knie ich nieder, stumm

Doch nächtens haben die “abstrakten tiere” dann doch noch ein wenig in mir rumort – und dies ist das (vorläufige) (nicht-amtliche) Endergebnis:

abstrakte tiere*

die ung, die frisst mir aus der hand
die heit, die keit stets elegant und sehr charmant
das tum ist etwas träge
die schaft dagegen rege
am klügsten ist das wesen
denn es kann schließlich lesen

doch wenn ich mal ganz ehrlich bin
und eben mal so weiterspinn‘
dann sind mir die vampierchen**
nun doch die lieberen tierchen
das un, das ent, das miss
und auch das zähnereiche dis
sie beißen ganz erfrischlings***
die lers, die lings, das dings

im wörterzoo sind sie alle vertreten
die hohen, die kleinen
die schlichten, die feinen
die abstrakten wie die konkreten

*Nr. 3267
**Nr. 3104
***Nr. 3524
aus Monika Rincks “Begriffsstudio”

#frapalymo 10-nov-16: lieblingsdichter: titel eines gedichts als inspiration

Der zehnte Impulssucht euch von eurem lieblingsdichter den titel eines gedichts und nehmt diesen als inspiration – kommt so harmlos daher… aber: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Ich war versucht zu schummeln, hab ich sowas doch sowieso im Gepäck: zum Beispiel zu Ulla Hahns “Herz über Kopf” (Herzwärts), zu SAIDs “Sei Nacht zu mir” (Sei Nacht zu mir) oder zu “Mein blaues Lied” von Ahmad Shamlu (Mein blaues Lied) – aber das wäre ja nicht im Sinne der Erfinderin des frapalymo… Also auf: Mit allen Sinnen an den Bücherschrank…
Hängen geblieben bin ich – möglicherweise liegt es daran, dass mich der November immer ein bisschen sentimental macht – an Friedrich Hölderlins “Hälfte des Lebens”. Tja, und das ist dabei herausgekommen:

Hälfte des Lebens

bitte, keine halben Sachen
auch nicht: halbe-halbe
entweder ganz
oder gar nicht

ein halbes Leben:
nichts Halbes, nichts Ganzes
Leben auf halbmast
halbherzig
halb tot

lebenshalber:
mach nicht halblang
lebe – ganz! voll! rund!

#frapalymo 9-nov-16: ein text, zwei strophen, vier wörter

Puh, es wird immer härter! Der neunte Impulsein text, zwei strophen, vier wörter: glas, dünn, blass, see. sie sollen in beiden strophen je einmal vorkommen – macht sehr viele Vorgaben. Aber sie kommen mir entgegen: Ich liebe parallele Konstruktionen. Und ich habe mir selbst noch eine weitere Vorgabe gemacht: Ich wollte diese vier Wörter in der zweiten Strophe in umgekehrter Reihenfolge wiederholen (quasi als Spiegelung); hab dann noch ein paar Wörter zum Wiederholen hinzugefügt, aber die Rahmenwörter sozusagen fixiert – man gönnt sich ja sonst nichts.

Winter

Einsam liegt der See im Schnee.
Blass ist sein Gesicht. Weiß.
Dünn ist das Eis, das ihn bedeckt
wie Glas, kalt und klar. Darunter
kannst du ihn vom Frühling träumen sehen.

Einsam stehe ich am Fenster und
blicke durch das Glas, kalt und klar.
Dünn ist meine Haut geworden. Weiß.
Blass ist mein Gesicht. Unter dem Schnee
kannst du noch den Frühling spüren, im Traum.

#frapalymo 8-nov-16: „ich habe geträumt, ein baum wuchs ins zimmer. jetzt vermisse ich ihn.“

Der achte Impuls„ich habe geträumt, ein baum wuchs ins zimmer. jetzt vermisse ich ihn.“ (ein tweet von ina steg aka @tschabuhjahhh) – ist eine echte Herausforderung. Enigmatische Texte mit komplexer Bildstruktur im Kurzformat (in den Worten von Frau Paulchen: „alles gesagt, alles offen“), das ist ja nicht unbedingt mein Ding, obgleich es etwas ist, wo ich schon immer mal hinkommen wollte. Nach vielen Entwürfen und Verwürfen standen am Ende nun diese Verse da:

 

nachts, auf dem heimweg

auf meinem weg | lag plötzlich ein stern. ich
hob ihn auf und machte mich auf | den weg.

#frapalymo 7-nov-16: dreht einen text durch den automatengedichtautomaten

Dem siebten Impuls “dreht einen text durch den automatengedichtautomaten” – komme ich doch gerne nach… Schöne Ergebnisse hab ich doch gleich mit meinem letzten Text bekommen…

Fragwürdige Utopie – gewolft mit allen Einstellungen und ein bisschen nachbearbeitet

abgelaufen wunderbar
glück dir glück, könntest du
fragwürdige dose!

gesundheit vorratsschrank gesundheit
dosen wann?

Gewolfte Fragwürdige Utopie noch einmal gewolft und halbiert

gesundheit
glück wunderbar dir
wann dose du glück

Ach, das macht Spaß, das könnte ich jetzt noch ein paar Stunden machen! – doch dann hat in mir der geballte Zufall noch einen anderen Reflex ausgelöst: “Lyrik aufräumen” – so wie Ursus Wehrli mit seinen Büchern übers “Kunst aufräumen”

Fragwürdige Utopie – aufgeräumt

Bedarf, Dose, Dose, Dosen,
Gesundheit, Gesundheit, Glück, Glück,
Monaten, Vorratsschrank, Zeit, Zeit

abgelaufen, aufmachen,
frag, hättest, ist, ist, könntest,
verfällt, wäre, wäre

einfach, haltbar, lange, nötig,
schön, wunderbar

ich, dich, dir, du, du,
es, es, mich
paar

das, die,
ein, eine, eine

bei, im, in

nur: wann, wie, wieviel?

oder, und, und:
nicht, nicht
immer,
wenn, wenn, wenn

#frapalymo 6-nov-16: was alles in eine konservendose passt

Der sechste Impuls„was alles in eine konservendose passt.“ – hat mich zu einer kleinen lebensphilosophischen Reflexion angeregt, wobei mich das wohl hat eher darüber nachdenken lassen, “was alles nicht in eine konservendose passt.”

Fragwürdige Utopie

Wäre es nicht schön,
wenn du dir bei Bedarf
einfach eine Dose Glück aufmachen könntest
oder, wenn nötig, eine Dose Gesundheit?
Wäre es nicht wunderbar,
wenn du immer
ein paar Dosen Zeit im Vorratsschrank hättest?
Nur frag ich dich und mich:
Wie lange haltbar ist das Glück?
In wieviel Monaten verfällt Gesundheit?
Und: Wann ist die Zeit abgelaufen?

#frapalymo 5-nov-16: lasst euch von der musik zu einem text inspirieren

Den fünften Impuls habe ich – wie ich eben gerade bemerke – gründlich missverstanden (bin einfach zu wenig frapalymo-erfahren): Ich habe nämlich den Link übersehen… und habe mir deshalb selbst erst einmal ein passendes Musikstück gesucht, was schon eine kleine Herausforderung war! Die Goldberg-Variationen wären natürlich auch ganz toll gewesen (schade, schade! – aber das ist jetzt doch zu spät!).

Meine Wahl ist letztendlich auf Behnam Manahedji gefallen, den großen Santur-Meister, und zwar auf sein Stück “Whisper” aus dem Zyklus “Lost Desires” (zu finden auf seinem Album “Master of Persian Santoor”, 1993; das Stück “Whisper” kann man z.B. hier hören). Ich hoffe, dass ich trotzdem noch mitmachen darf, auch wenn ich – lehrerhaft gesprochen – gründlich “das Thema verfehlt” habe.

 

naǧwā*

wasser, wasser
fließt und fließt und fließt
weiter, weiter, immerfort
wasser, wasser
strudelt, sprudelt, perlt
flüstert, wispert, gluckst
weiter, weiter
durch die auen, durch die wälder
über felder, übers land
weiter, weiter
hell und klar
sanft berührt es jene saiten
die da schlummern im gestein
auf dass stumme kiesel summen
bis der bach, der fluss, der strom
voll erklingt und singt
endlos, endlos
fließt das wasser
singt von längst verklungner freude
singt von längst vergessnem schmerz
endlos, endlos
fließt das wasser
bis es plötzlich innehält
zitternd
und dich fragt:
wohin?
wohin?
wohin?

 

* bedeutet ‘Geflüster’ und ist der persische Titel des Musikstücks