wenn Du weg bist von mir,
bin auch ich weg von mir
erst wenn Du wieder bei mir bist,
bin auch ich wieder ganz bei mir
und wenn ich weg bin von mir,
dann bin ich auch weg von Dir
erst wenn ich wieder bei mir bin,
bin ich auch wieder ganz bei Dir
wenn Du weg bist von mir,
bin auch ich weg von mir
erst wenn Du wieder bei mir bist,
bin auch ich wieder ganz bei mir
und wenn ich weg bin von mir,
dann bin ich auch weg von Dir
erst wenn ich wieder bei mir bin,
bin ich auch wieder ganz bei Dir
nah bei Dir, fühl ich
mich fern von mir
fern von mir, fühl ich
mich fern von Dir und mir
nah bei mir, fühl ich
mich nah bei Dir
fern von Dir, fühl ich
mich fern von Dir und mir
bist Du mir fern, fühl ich
mich Dir nahe
bist Du mir nahe, fühl ich
mich Dir fern
bin ich Dir fern, fühl ich
Dich mir nahe
bin ich Dir nahe, fühl ich
Dich mir fern
schau Dich an
mit meinen Augen
hör Dir zu
mit meinem Herzen
berühr Dich
mit meinen Lippen
schreib Dir ein Liebeslied
mit meiner Hand
in Deine Hand
Lieder singen wir davon:
wie Liebe kommt, wie Liebe geht
Dramen spielen wir damit:
wie Liebe kommt, wie Liebe geht
Geschichten erzählen wir daraus:
wie Liebe kommt, wie Liebe geht
was aber schreiben wir darüber:
wie Liebe bleibt?
alles gewagt
alles zurückgelassen
alles gegeben
alles ertragen
und doch:
alles verloren
wer hat noch die Kraft:
noch einmal alles wagen?
noch einmal alles zurücklassen?
noch einmal alles geben?
noch einmal alles ertragen?
und vielleicht noch einmal:
alles verlieren?
fremd bist Du mir,
je näher ich Dir bin
nah bin ich Dir,
je ferner Du mir bist
fern sind wir uns,
sind uns nahe
Fremde
ja, ich weiß:
ich bin oft
so weit weg von Dir
aber Du sollst wissen:
ich bin immer
für Dich da
wie viel mehr
als ein Wort
das Wort Du
ist, spüren wir
gerade jetzt
Ich verstand die Stille des Aethers
Der Menschen Worte verstand ich nie.
aus: Friedrich Hölderlin, Da ich ein Knabe war (1798)
ein Gott, du,
ohne Göttergefährten,
hier im Land der Frömmler –
deine Sprache Donner
und Blitz, unerhört
komm! ins Offene
(Freund! möcht ich sagen,
doch darf ich’s denn?)
hier bist du’s, ein Gott,
in den Armen des Aethers:
er dich versteht, die Götter auch
(vermag ich’s denn?)
zum 250. Geburtstag von Friedrich Hölderlin
für Friedrich Hölderlin
getürmt
lebt es sich
höher, freier auch
Darf, wenn lauter Mühe das Leben, ein Mensch aufschauen und sagen: so will ich auch seyn? Ja.
aus dem Turmtief, das
heilignah den Wassern,
steigt auf der Geist
aetherwaerts
noch ist Bewegung:
aus jeder Stufe, jedem Stein
türmeln die Verse, turmschief
vielleicht, ins Turmhohe dennoch
der Turm, ein Verlies, ein Refugium –
hier ist der Dichter
endlich allein, ganz bei sich,
einsam zwar, doch das ist der Preis:
Leben ist Tod, und Tod ist auch ein Leben.
Gedanken anlässlich der Wiedereröffnung des Hölderlinturms in Tübingen zum Auftakt des Hölderlinjahres. Mit Zeilen aus ‘In lieblicher Bläue’ (1808).
zugewachsen
sind wir wohl etwas
über die Jahre
aber wir können es noch:
zusammenwachsen
und dabei
zusammen wachsen