in Schnee schrieb ich meine alten Lieder, schrieb sie ins Reine – Vers für Vers: horch, wie harsch sie knirschen unter meinem Schritt
aus Schnee schreib ich meine neuen Verse, schreib sie ins Weiße – Flocke um Flocke: sieh, wie forsch sie stieben über meinem Kopf
von Schnee schrieb ich meine alten Lieder, von Schnee schreib ich meine neuen Verse: fühl, wie sie schon beginnen zu schmelzen in der noch verhaltenen Wärme der Wintersonne
die Luft atmet Schnee, doch es will einfach nicht schneien – am liebsten würd ich mir nun die Schneekugel geben, doch ich hab gar keine – so bleibt mir nur das Warten: das Warten
auf den Schnee
bleibt es mir nur? – einst schrieb ich voller Übermut: “schneien möcht ich” … sollte ich es nun nicht doch versuchen? die Luft atmet Schnee – und ich bin bereit:
schneien werd ich, bis es endlich – endlich! – schneit
leichten Schneefall schenkt er mir so kurz nach Mitternacht zu seinem ersten Tag im Jahr. ich fang mir eine Flocke ein aus seinem weißen Haar. ich atme tief: Dezemberluft! und lass mich von ihm rufen so, wie er allein mich nennt: bei meinem Schneenamen
Ja, weit vor der Zeit, ich weiß. Aber der “snow”-Impuls von #inktober neulich hat mir in Erinnerung gerufen, dass ich doch mal ein Schnee-Büchlein basteln wollte, und den ersten Versuch sehr Ihr hier auf Lyrifants Editionen.
(Inzwischen gibt es noch eine zweite Version dieses Schnee-Büchleins, die nun den Text selbst zum Schneien bringt – zumindest in Eurer Phantasie).
(1)
schneien möcht ich in stillen Flocken die schwarze Erde in tiefe Weiße schreiben
(2)
schneien möcht ich in dicken Flocken schreiben in den eisblauen See in den schneeweißen Schnee
(3)
schneien lasst mich in die guten Stuben rein schreiben die weiße Wand auf weißem Papier
(4)
zuschneien lasst mich in Sternenflocken eure Fenster und Türen zuschreiben mit der Weisheit ewiger Weißheit
(5)
einschneien möcht ich Weiß auf Weiß unsere alte Welt einschreiben in mein weißestes Weiß einsinken möge sie in meine ewige weiße Ruhe