schrei nicht. schreib
um dein Leben
schweig nicht. schreib
auf ein Wort
schreib und schneid
dich ins Unsagbare
bleib
und schreib
schrei nicht. schreib
um dein Leben
schweig nicht. schreib
auf ein Wort
schreib und schneid
dich ins Unsagbare
bleib
und schreib
schreib
Tag für Tag
ein Gedicht –
so lernst du
schreiben
schreib
für jeden Tag
ein Gedicht –
so lernst du
unterscheiden
schreib
Tag um Nacht
Gedicht um Gedicht –
so lernst du
entscheiden
schreib
Tag und Nacht
Gedicht um Gedicht –
so lernst du
bleiben
schreib
ein Gedicht
für alle Tage,
für aller Tage Nacht –
so lernst du
sagen
schreib
eines Nachts
mal kein Gedicht –
so lernst du
schweigen
schreib
eines Tages
das Gedicht –
dein Gedicht
Lyrifants Adventskalender 2023 Türchen 15
bald
flocke ich aus,
mein spätes Sommerwort
zu unterwintern
bald schon
stiebe ich auf,
in alten Hinterwinterbildern
schneezustöbern, leis
bald, schon bald
riesel ich nieder, wieder
und wieder, meiner Nachherbstverse
Harsch und Firn zu überpulvern:
kristallin
sozusagen eine Fortsetzung zu “schneien möcht ich”
Gedichte will ich schreiben, bloß,
die maulfaul, aber weilfeil
von allen Bäumen
träumen
halbgar mögen sie sein, meinet-
wegen, halbwahr jedenfalls und
unbedingt!
halb klar, halb bar, dafür
ganz rar: ganz und gar
unhaltbar
auch hab ich sie gern
weltfremd, menschenfeind und gottfern;
nur so sind sie test-, rest- und nestfest
und fallen punkt-, komma-, strichgenau
in niemandes Schoß
und zwischen den Zeichen
(ver)such ich ein Gedicht, das
alles sagt und doch nicht spricht
auf einen Sprung
schaut das springende Wort
bei mir vorbei. es bleibt
nicht lang, denn es ist immer
auf dem Sprung
doch kommt es immer wieder
gern zu mir, macht große Sprünge
und springt um mit mir –
es weiß: auch ich habe
einen Sprung
im Ursprung
sind wir eben gleich
ursprünglich
keinen Preis gibt es
für meine Lyrik:
ich schreibe
umsonst
keins meiner Worte aber
ist verschwendet
wo das Wort
einfach nur
nach Wort schmeckt
(ganz wörtlich)
und der Gedankenstrich
nach Gedanke riecht
und Strich –
dort lass dich nieder
und schreibe ein Gedicht, das
nichts weiter ist als
ein Gedicht
Gedanken bei Klavierstücken von Felix
Mendelssohn
wie klingen
Lieder ohne Worte,
wenn dir die Töne fehlen?
etwas Farbe könnte vielleicht helfen,
doch ein Bild will ich nicht malen.
dichten will ich, dichten:
Lieder ohne Worte –
nur, wie mach ich das,
wenn nur das Wort ich hab?
an Tagen wie diesen
sitzen die Wörter in allen Ritzen
schwitzen schmoren in allen Poren
lugen aus allen Fugen, bis sie
blitzen aus allen Schlitzen spritzen
flitzen über den Strand
und mir dabei ritzen
für Dich ein goldnes Gedicht
in den Sand
an Tagen wie diesen schwärmen Wörter aus
wie kleine Fische glitzern und blinken im Licht
der Sonne das unter die Wasseroberfläche fällt
huschen so flugs an mir vorbei dass ich sie nicht
entziffern kann heften sich an die Flügel der Möwen
und steigen mit ihnen höher und höher so hoch dass
ich in ihnen nicht mehr zu lesen vermag –
und so schreib ich silbrige Gedichte
aus Fischen und Möwen für Dich in eine
verlassene Muschel am Strand
an Tagen wie diesen entgleiten mir die Wörter,
wollen sich nicht fügen lassen zum Gedicht:
tollen umher wie diese jungen Hunde jagen
den Wellen hinterher schlüpfen tief in diese
kleinen Sandlöcher wo sie sich überspülen
lassen wieder und immer wieder lassen sie
sich vom Meer weit hinaustragen reiten
ganz oben auf den Wellen bis sie sich
brechen in die Sonne lachen blau und
weiß und mit einem kühnen Sprung
übermütig in die
Wolken fallen
lassen