Lyrifants Falkenlied

der Falke ist entflogen.
allein ich steh hier an der Zinne.
niemanden hör ich singen
von Falken noch von Zinnen.

der Falke ist entflogen.
allein ich steh hier an der Zinne.
so sing ich vor mich hin
von Falken und von Zinnen.

den Falken seh ich fliegen
einsam von meiner Zinne aus.
wer wird einst noch singen
von Falken und von Zinnen?

dieses Gefühl der Geborgenheit

es ist das Privileg der Liebenden,
die zufällig hier geboren sind:
ich genieße es Tag für Tag,
mich geborgen zu fühlen
in Deiner Nähe

es ist der Fluch der Liebenden,
die hier im Exil leben müssen:
ich werde Dir nie – das weiß ich –
so nah sein können, dass Du
Dich geborgen fühlen wirst
in meiner Nähe

wie verwegen doch dieses Gefühl
der Geborgenheit ist, das mir die Nähe
des Ungeborgenen zu schenken vermag –
und wie vermessen letztlich mein Wunsch:
zu hoffen, ich könnte Dir etwas davon zurückgeben

nein, die Liebe wird nicht alt

nein, die Liebe wird nicht alt –
nur die Gefühle werden kalt und krank
und sterben gar, vielleicht, und auch
das Herz wird langsam schwach
und schlägt nicht mehr so froh wie einst

nein, die Liebe wird nicht alt –
nur den Sinnen schwindet ihre Kraft
und die Nerven büßen ihre Stärke ein, es kann
auch sein, dass der Verstand sich neu sortiert
und die Vernunft beginnt zu schielen

nein, die Liebe wird nicht alt –
nur scheint, was einst so tief vertraut,
nun plötzlich überraschend fremd,
und was für immer fremd sein sollte,
wird vertrautes Ritual, wird zur täglichen Routine

nein, die Liebe wird nicht alt –
nur wir Liebenden, wir ganz gewiss

für Dich, mein Liebster, für 35 gemeinsame Jahre