voll Mond
mein Herz – und alles
um mich herum
mondvoll
Liebeslyrik
Paarbildungsgrammatik
bin ich nur eine Derivation
von Dir?
oder bin ich eine Komposition
aus Dir und mir?
oder bin ich vielleicht eine Konversion
– und Du bist meine neue Syntax?
Abwägung
es ist gewiss nicht immer ganz leicht
mit mir
ohne mich
wäre es vielleicht doch etwas leichter
es ist gewiss nicht immer ganz leicht
mit Dir
ohne Dich
wäre es aber sicherlich noch viel schwerer
zum 22. Hochzeitstag ❤
Des Kürenbergers Falkenlied
„in Lyrifants wîse“ (wie es Davina nennen würde)
hab ‘nen Falken aufgezogen:
erst gehegt, dann gepflegt,
sehr verwöhnt, sehr verschönt –
trotzdem ist er mir entflogen
hab ihn später fliegen sehen:
sehr gehegt, sehr gepflegt,
mehr verwöhnt, mehr verschönt –
ach, mögen Liebende zusammen gehen!
Eher eine freie Nachdichtung denn eine Übersetzung, lautet der mittelhochdeutsche Text dann doch ein wenig anders:
Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr.
dô ich in gezamete, als ich in wolte hân,
und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant,
er huop sich ûf vil hôhe und vlouc in ándèriu lant.Sît sach ich den valken schône vliegen,
er vuorte an sînem vuoze sîdîne riemen,
und was im sîn gevidere alrôt guldîn.
got sende sî zesamene, die gelíeb wéllen gerne sîn!
Lyrifants Falkenlied
der Falke ist entflogen.
allein ich steh hier an der Zinne.
niemanden hör ich singen
von Falken noch von Zinnen.
der Falke ist entflogen.
allein ich steh hier an der Zinne.
so sing ich vor mich hin
von Falken und von Zinnen.
den Falken seh ich fliegen
einsam von meiner Zinne aus.
wer wird einst noch singen
von Falken und von Zinnen?
nur
Du hast mir die Welt gezeigt –
nur: Deine Welt habe ich
nie gesehen
Du hast mich ins Leben geführt –
nur: Dein Leben habe ich
nie betreten
Du hast mir die Liebe entdeckt –
nur: meine Liebe magst Du
nicht finden
dieses Gefühl der Geborgenheit
es ist das Privileg der Liebenden,
die zufällig hier geboren sind:
ich genieße es Tag für Tag,
mich geborgen zu fühlen
in Deiner Nähe
es ist der Fluch der Liebenden,
die hier im Exil leben müssen:
ich werde Dir nie – das weiß ich –
so nah sein können, dass Du
Dich geborgen fühlen wirst
in meiner Nähe
wie verwegen doch dieses Gefühl
der Geborgenheit ist, das mir die Nähe
des Ungeborgenen zu schenken vermag –
und wie vermessen letztlich mein Wunsch:
zu hoffen, ich könnte Dir etwas davon zurückgeben
nein, die Liebe wird nicht alt
nein, die Liebe wird nicht alt –
nur die Gefühle werden kalt und krank
und sterben gar, vielleicht, und auch
das Herz wird langsam schwach
und schlägt nicht mehr so froh wie einst
nein, die Liebe wird nicht alt –
nur den Sinnen schwindet ihre Kraft
und die Nerven büßen ihre Stärke ein, es kann
auch sein, dass der Verstand sich neu sortiert
und die Vernunft beginnt zu schielen
nein, die Liebe wird nicht alt –
nur scheint, was einst so tief vertraut,
nun plötzlich überraschend fremd,
und was für immer fremd sein sollte,
wird vertrautes Ritual, wird zur täglichen Routine
nein, die Liebe wird nicht alt –
nur wir Liebenden, wir ganz gewiss
für Dich, mein Liebster, für 35 gemeinsame Jahre
(k)ein Liebesgedicht
ein Liebesgedicht
schreibt
kein Herz
ein Kopf
schreibt
kein Liebesgedicht
Du und ich
bin ich Dir, was
Du mir bist?
bist Du mir, was
ich Dir bin?
nein: Du bist mir,
was Du mir bist
und: ich bin Dir,
was ich Dir bin
Du bist
Du bist, wer
ich nicht bin
Du bist, wem
ich vertrau
Du bist, wen
ich hab lieb
Du bist, was
ich nicht hab
Du bist, wie
ich es mag
Du bist, wo
ich gern bin
Du bist, wohin
ich geh
Du bist, woher
ich komm
Du bist, wann
ich es brauch
Du bist, wozu
ich leb
Du bist, warum
ich bin
Nähe und Ferne, ganz einfach
wenn Du weg bist von mir,
bin auch ich weg von mir
erst wenn Du wieder bei mir bist,
bin auch ich wieder ganz bei mir
und wenn ich weg bin von mir,
dann bin ich auch weg von Dir
erst wenn ich wieder bei mir bin,
bin ich auch wieder ganz bei Dir