Spätsommermorgen:
Sattes Gelb und klare Luft
künden den Frühherbst.
Gedicht
verstehen wollen
verstehen wollen
was nicht zu verstehen ist
weil es nicht verstehbar sein soll:
wem das verstehen können
versagt bleibt, dem bleibt
nur unverständnis und wo
kein verständnis mehr ist
dort ist bald auch
kein verstand mehr
der dir raten kann
niemals damit aufzuhören
verstehen zu wollen
was nicht zu verstehen ist
weil es nicht verstehbar sein soll
lieben, singen, singen, lieben
wenn ich liebe
singe ich, und
wenn ich singe
liebe ich
ich singe
weil ich liebe, und
ich liebe
weil ich singe
ich liebe
um zu singen, und
ich singe
um zu lieben
indem ich singe
liebe ich, und
indem ich liebe
singe ich
ich singe so
wie ich liebe, und
ich liebe so
wie ich singe
und Du
bist mein Lied
Versuch: Lyrische Landschaft
Auf der documenta 14 ist mir – neben einer Vorliebe für Topographien – der Trend aufgefallen, Bilder aus mehreren Einzelbildern wie ein Mosaik zusammenzusetzen. Das wollte ich jetzt mal ins Lyrische übersetzen: kleine Gedichte, die zusammen ein Gedicht ergeben. Und hier ist mein erster Versuch dazu.
das leben zeichnet geheime zeichen unter meine haut |
mir neue wege in bewegung singen werd ich für mich |
alte landschaften in auge und ohr schreiben worte |
Vollmondnacht am See
Vollmondnacht am See.
Im Schilf fiept leis ein Blässhuhn.
Ich bin zuhause.
homo viator
unterwegs
– das ist:
halbwegs
geradewegs,
keineswegs
allerwegs,
durchwegs
weg
dolce far niente
nichts tun
außer nichtstun
bis im nichtstun
sich etwas tut:
es heißt
leben
Sommers in Umbrien
Sommerhitze bettet sich aufs weiche Hügelland,
senkt ihren schweren Schlaf auf traubensatte Reben
im silbergrünen Schimmer der Olivenbäume.
Die gelben Feigen träumen still vom Reifen.
Sogar die Wespen hängen träge vom Gebälk,
und auf den alten Mauern ruhen die Eidechsen,
sonst flink, in ihrem mittäglichen Sonnenbad.
Müd fällt mein Blick auf die Zypresse: wie sie
– einsam – unbewegt da steht und wacht.
Schwimm mich auf den Grund der Liebe
angelehnt an Leonard Cohens “Dance me to the end of love”, das mich vor einiger Zeit tief berührt hat und zu dieser Variation inspiriert hat, die ich schon lange schreiben wollte – jetzt endlich habe ich die richtigen Worte gefunden, hoffe ich
Schwimm mich in die Wunden des verletzten Meeres
Schwimm mich in das Salz seiner Tränen
Sei die Planke, die mich hält
Schwimm mich an das Ufer der Liebe
Schwimm mich an das Ufer der Liebe
Schwimm mich an den Strand der zu früh Gestrandeten
Schwimm mich ins Vergessen der zu früh Vergessenen
Sei mein Leuchtturm, sei mein Stern
Schwimm mich bis ans Ende der Liebe
Schwimm mich bis ans Ende der Liebe
Schwimm mich über ihre Lieder, die das Meer zu Ende sang
Schwimm mich in die Hoffnung, die das Meer zu Ende sprach
Berühr mich mit Deiner nassen Hand
Schwimm mich bis an das Ende der Liebe
Schwimm mich bis zum Grund der Liebe
Schwimm mich auf den Grund der Liebe
im Pinienhain
lerne ihr knorriges Alphabet
zu lesen die schweigsame Poesie
welche die alten Pinien
in großen Schriftzeichen
in den Himmel schreiben
von Wellen, von Wogen, von Brandung und Meer
brenne, brenne
rasch durch die Brandung
walle, walle
ganz sacht durch die Welle
wiege, wiege
dich sanft in der Woge
schaukel
und schunkel im Wellengefunkel
baumel
und taumel im Wogenschaume
schwinge
und singe, was schwingt, was singt dir das Meer
von Wellen, von Wogen,
von Brandung und Meer
Meer, nur Meer
kaum etwas Schöneres als
weit hinter dir das Land, der Strand
vor dir das Meer, nur Meer, so weit
über dir der Himmel, nur Himmel, so hell
unter dir das Meer, nur Meer, so tief
und du – weiter, nur weiter, immer weiter
weiter hinaus, ins Weite
weiter hinauf, ins Helle
weiter hinab, ins Tiefe
weiter, nur weiter:
Meer, nur Meer