lerne ihr knorriges Alphabet
zu lesen die schweigsame Poesie
welche die alten Pinien
in großen Schriftzeichen
in den Himmel schreiben
Mit einfachen Worten
von Wellen, von Wogen, von Brandung und Meer
brenne, brenne
rasch durch die Brandung
walle, walle
ganz sacht durch die Welle
wiege, wiege
dich sanft in der Woge
schaukel
und schunkel im Wellengefunkel
baumel
und taumel im Wogenschaume
schwinge
und singe, was schwingt, was singt dir das Meer
von Wellen, von Wogen,
von Brandung und Meer
Meer, nur Meer
kaum etwas Schöneres als
weit hinter dir das Land, der Strand
vor dir das Meer, nur Meer, so weit
über dir der Himmel, nur Himmel, so hell
unter dir das Meer, nur Meer, so tief
und du – weiter, nur weiter, immer weiter
weiter hinaus, ins Weite
weiter hinauf, ins Helle
weiter hinab, ins Tiefe
weiter, nur weiter:
Meer, nur Meer
rehte enmitten durch
mitten inmitten meiner Mitte find
ich mittendrin mitteninne
die Mitte der Welt und
rehte enmitten durch
mich
rehte enmitten durch ist die mittelhochdeutsche Deutung des Namens Parzival (in Entsprechung zu altfranzösisch Perceval ‘Durchdring das Tal’), die der Dichter Wolfram von Eschenbach Parzivals Cousine Sigune in den Mund legt, als sie Parzival seinen Namen nennt und erklärt.
rederecht
versucht nicht,
mich zu überreden,
mich mit euch zu unterreden:
ich mag nicht zerreden
was zu bereden,
ich mag nichts herbeireden,
nur um etwas wegzureden
bitte, versucht nicht,
mir das eure einzureden,
um mir das meine auszureden
Sachdinglicher Hinweis
Sagen,
was Sache ist:
Das ist ganz mein Ding.
Doch die Dinge
beim Namen nennen:
Das ist so eine Sache.
Lied gegen das Aufschieben
morgen, morgen,
nur nicht heute
später, später
bald, schon bald
warte, warte
nur ein weilchen
gleich, ja gleich
nein: wann, wenn
nicht jetzt?
jetzt oder
nie
Wortwechsel
hab immer und überall
ein ernstes Wörtchen
mitzureden
kein Sterbenswörtchen aber
sag ich zum
Leben
gedichtweise
gedichtweise
sing’ ich
gedichtweisen
bring’ ich
ins gedichtweiße
dring’ ich
gedichtweise
bin ich
gedichtweiß(was)
vielleicht
gedichtwaise
auch nur
Gedichte lesen. Ein Weg in 7 Vokal-Schritten
Vor kurzem gab es auf der G13-Lyrik-Seite einen sehr schönen Beitrag mit dem Titel Gedichte lesen: 20 Strategien. Eine Anleitung für Ratlose (von Mark Yakich). Für Leserinnen und Leser, die das gern kürzer haben, habe ich hier jetzt noch eine Kurzanleitung gebastelt.
iiiiih – ein Gedicht! (die erste Abwehrreaktion von Unerfahrenen)
äh – ein Gedicht? (anfängliche Rat- und Hilflosigkeit)
uuh – ein Gedicht! (Einsicht in die eigene Überforderung)
öööh – ein Gedicht? (zweite Phase der Rat- und Hilflosigkeit)
eh – ein Gedicht! (überraschtes Erstaunen)
aaah – ein Gedicht! (anerkennendes Erstaunen und beginnende Erkenntnis)
oooooooh – ein Gedicht! (anhaltendes Entzücken)
Transparenz
Sprecht mir nicht von
Durchblick, nur
weil ihr durch
mich hindurch
seht. Durchsichtig
scheine ich euch,
doch habt ihr mich
noch lange nicht
durchschaut.
Dieses kleine Gedicht aus Nichts
Es schreibt in dein Herz eine Spur sanften Lichts:
dieses kleine Gedicht aus Nichts.
Doch greifst du nach ihm, dann zerbricht’s:
dieses zarte Gedicht aus Nichts.
Doch lässt du es schweben,
dann lässt’s dich zurück lächelnden Gesichts:
dieses leichte Gedicht aus Nichts.