ihr seht mich rot: ich bin ein rotes Tuch
an einem roten Faden, rot geweint
nie wird ein roter Teppich, nie
ein Rotkäppchen daraus
vielleicht reicht es für
einen roten Knopf
Leben, Überleben
schwarz / weiß
ich sehe schwarz
auf weiß, ich weiß
ich male schwarz
nur in schwarz-weiß
denn ich bin ein
bis zur weißglut
schwarz
gebranntes kind
mehr als mein Schmerz
wenn diese selbsternannten Therapeuten
dir wieder einmal sagen: Mensch, bedenke,
du bist mehr als dein
Schmerz
dann nickst du lächelnd, denn du weißt:
ja, ich bin auch das Wort, um meinen
Schmerz zu fassen, ich bin auch mein
Schmerzwort
doch wenn das Wort nicht so recht passen
mag, dann hast du zu all deinem Schmerz
auch noch diesen furchtbar quälenden
Wortschmerz
der dir vollends bewusst macht: ja,
ich bin mehr als mein
Schmerz
Vision
schau
wie hell
ein jeder Augenblick
im Augenschein deines Augenlichts
leuchtet
der Sehsinn
Türmgestürm
turmhoch
stürme ich
türmen sich türme
stürmen mich stürme
türme ich
sturmtief
Pause
ohne Pause
pausenlos
bis du selbst
nur noch
eine Pause
deiner selbst
bist
Erinnerungen
Erinnerungen flattern auf wie Vögel,
die, wenn du näher kommst, auf
und davon stieben, doch sobald
du stehen bleibst, sich wieder auf
den Ästen nieder kauern. Sie nisten
für bestimmte Zeit, bis sie sich auf
den letzten Zug gen Süden machen.
Spätsommermorgen
Spätsommermorgen:
Sattes Gelb und klare Luft
künden den Frühherbst.
Versuch: Lyrische Landschaft
Auf der documenta 14 ist mir – neben einer Vorliebe für Topographien – der Trend aufgefallen, Bilder aus mehreren Einzelbildern wie ein Mosaik zusammenzusetzen. Das wollte ich jetzt mal ins Lyrische übersetzen: kleine Gedichte, die zusammen ein Gedicht ergeben. Und hier ist mein erster Versuch dazu.
das leben zeichnet geheime zeichen unter meine haut |
mir neue wege in bewegung singen werd ich für mich |
alte landschaften in auge und ohr schreiben worte |
Sommers in Umbrien
Sommerhitze bettet sich aufs weiche Hügelland,
senkt ihren schweren Schlaf auf traubensatte Reben
im silbergrünen Schimmer der Olivenbäume.
Die gelben Feigen träumen still vom Reifen.
Sogar die Wespen hängen träge vom Gebälk,
und auf den alten Mauern ruhen die Eidechsen,
sonst flink, in ihrem mittäglichen Sonnenbad.
Müd fällt mein Blick auf die Zypresse: wie sie
– einsam – unbewegt da steht und wacht.
Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann?
Ist schwarz seine Haut,
hab keine Angst.
Ist schwarz die Kapuz’,
kannst ruhig sein.
Ist aber schwarz die Uniform,
dann nimm dich in Acht.
Und ist schwarz seine Seele,
dann musst du dich wehrn.
Sommer-Haiku
Laue, blaue Nacht
auf den Augen meiner Haut:
ein Sommernachtstraum.