Gestern in der Straßenbahn

hinter mir hör ich
sich eine Bierflasche öffnen

ein Stier steigt ein und lässt sich
auf den Sitz vor mir fallen, wo
zuvor noch die bunte Hexe saß

ich blicke aus dem Fenster und
sehe ein Krokodil telefonieren,
drei Kühe schwanken über den Gehweg,
Matrosenmützen stehen hoch im Kurs

vom hinteren Teil des Wagens hört man
Lachen, Singen, Johlen, Grölen – und
eine graue Maus tanzt mit einer rosa Katze

kein Pirat weit und breit,
auch Cowboys sieht man heute selten,
schwarzer Engel, steh mir bei

beim Aussteigen fällt mein Blick
auf eine traurige Giraffe – nicht einmal
die Tigerin vermag sie aufzuheitern,
ich fange ein fernes Lächeln auf
und steige aus

ein kleines Einhorn kreuzt meinen Weg

Tier und Mensch

Tier, ich seh dich an
und denke: Ich bin
ein Mensch, und du
bist ein Tier. Du
siehst mich an, doch
was denkst du?

Denkst du: Ich bin
ein Tier, und du
bist ein Mensch?
Wohl kaum. Oder
denkst du: Du bist
ein menschliches
Tier, und ich ein
Tier? Wohl kaum.

Tier, ich weiß, du
denkst, doch was
du denkst, kann
ich nicht denken.
Ich spüre, du siehst
mich an, doch was
du siehst, wenn du
mich siehst, kann
ich nicht sehen.

Tier, du bist ein Tier,
ich bin ein Mensch,
bin ein menschliches
Tier und dir so fern
wie Tier von Tier,
wie Mensch von Mensch,
wie Mensch von Tier.

#frapalywo 2/17: geräusche – tag 4: im alleinsein

Der vierte Impuls hat es in sich: Geräusche, die wir im alleinsein machen… Will ich das überhaupt preisgeben? – Doch dann fiel mir ein, dass ich mich schon mal an einem Gedicht über meinen inneren Zoo versucht hatte, damit damals aber nicht weitergekommen bin. Und da war sie, die Idee: eine schlaflose Nacht in Tiergeräuschen.

Schlaflose Nacht

Um elf brummt dich
der Schlaf ins Bett,
noch summt dein Geist,
dein Körper zirpt.

Um Mitternacht
kräht dich ein Einfall wach.
Um ihn zu halten lässt du ihn
für eine Stunde in dir quaken.

Gegen halb zwei
krächzt dein Hals dich aus dem Schlaf.
Du nimmst einen Schluck Wasser,
da gackert es in deinem Bauch.

Viertel vor drei
grunzt es aus deinem Rücken,
dass dir die Knie schnattern.
Es quiekt in deinem Ohr.

Doch kurz darauf gurren
süße Träume durch dein Aug.
Deine Muskeln muhen entspannt.
Endlich kannst du schlafen.

Punkt vier beginnt – miau! –
die Sorge dumpf zu blöken,
und dein Herz wiehert auf.
An Schlaf ist nicht zu denken.

Um sechs bellt dein Wecker.
Deine Nerven keckern.
Du aber packst deinen Zoo
zusammen und stehst auf.