#frapalymo 4-nov-16: wolle und milch

Der vierte Impuls“und in die luft des herbstes mischt sich zärtlich wolle und milch”* – hat mich entführt, ja verführt zu einer kleinen Miniatur über das Landleben.

* Wortlaut von karl aka @chrischa68

herbstmorgen auf dem lande
eine miniatur

nebel weidet leis im tal
auf dem berg ruht erstes licht
schafe – aus dem schlaf erwacht –
ziehen still wie weiße wolken
durch die bunt gefärbte welt
in den ställen atmet leben:
bald beginnt der mensch sein tagwerk
und in die luft des herbstes mischt sich zärtlich
wolle und
milch

#frapalymo 2-nov-16: unheimlich

Der zweite Impuls “unheimlich” ist der Auftakt zu einem Doppelimpuls, der mit “heimlich” fortgesetzt wird: Dieses Wort setzt natürlich vielfältige Assoziationen frei, ich bin am Wort geblieben: un-heim-lich.

unheimlich
ist mir dort, wo
in aller Unheimlichkeit
Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten,
ein Heim verweigert wird,
dort, wo sie
in aller Heimlichkeit
in die Unheimischheit verbannt oder
dorthin abgeschoben werden, was
man wohl Unheimat zu nennen hat,
dort ist mir
unheimlich

#frapalymo 1-nov-16: Erste Wörter

Noch bin ich im Zweifel: Werde ich überhaupt die Zeit finden, wird es mir mental überhaupt gelingen, jeden Tag ein Gedicht zu Frau Paulchens Impuls (http://paulchenbloggt.de/frapalymo/) zu schreiben? – Nun, ich muss ja nicht… ich schaue einfach mal, wie weit ich komme. Vielleicht beteilige ich mich auch nur sporadisch…

Der erste Impuls “die ersten wörter sind eure ersten wörter” hat bei mir gleich zweifach eingeschlagen: Entstanden sind zwei Gedichte, eines zu den ersten Worten eines Gedichts von Erich Fried, das ich sehr liebe (auch wenn ich mich hier nun in den Widerstreit begebe), und eines zu den ersten Worten aus dem ‘Parzvial’ Wolframs von Eschenbach, einem mittelalterlichen Versroman (Anfang 13. Jh.), dem ich schon lange sehr verbunden bin.

 

Nicht nichs

Nicht nichts
ohne dich
*
aber auch:
Nicht alles
mit dir

*Erich Fried: Ohne dich. In: Liebesgedichte (Quartheft 103).

 

Ist zwîvel herzen nâchgebûr

Ist zwîvel herzen nâchgebûr,
daz muoz der sêle werden sûr.
Wenn Zweifel Herzens Nachbar ist,
dann wird das sauer für die Seele*

zumindest wenn’s ein Zweifel ist,
der der Verzweiflung nahesteht,
ein Nachbar, der seinen Nachbarn
gern entzweit, indem er
bittersaure Zwietracht sät,
so dass das nunmehr zwiefalt Herz
an Welt, an Mensch, an sich
bald zweifelt, bald verzweifelt
– zweifach zwiegespalten.
Süß nur ist der Zweifel,
der einen jeden Zweifelsfall
ins rechte Zwielicht rückt:
ein Zweifel, der Herz, Welt und Ich
immer wieder konstruktiv mit Bedacht in Frage stellt:
Ist zwîvel herzen nâchgebûr,
daz muoz der sêle werden sûr.
Ist ab zwîvel herzen kampfgenôz,

daz ist der sêle süezer dôz.**

*Wolfram von Eschenbach: Parzival, Prolog, Verse 1-2 (die neuhochdeutsche Übersetzung der Sentenz stammt von mir)
**Wenn aber Zweifel des Herzens Kampfgenosse ist, dann ist das für die Seele süßer – weil: heilbringender – Klang (die mittelhochdeutsche Weiterdichtung und ihre neuhochdeutsche Übersetzung sind natürlich von mir).