#frapalymo 1-nov-16: Erste Wörter

Noch bin ich im Zweifel: Werde ich überhaupt die Zeit finden, wird es mir mental überhaupt gelingen, jeden Tag ein Gedicht zu Frau Paulchens Impuls (http://paulchenbloggt.de/frapalymo/) zu schreiben? – Nun, ich muss ja nicht… ich schaue einfach mal, wie weit ich komme. Vielleicht beteilige ich mich auch nur sporadisch…

Der erste Impuls “die ersten wörter sind eure ersten wörter” hat bei mir gleich zweifach eingeschlagen: Entstanden sind zwei Gedichte, eines zu den ersten Worten eines Gedichts von Erich Fried, das ich sehr liebe (auch wenn ich mich hier nun in den Widerstreit begebe), und eines zu den ersten Worten aus dem ‘Parzvial’ Wolframs von Eschenbach, einem mittelalterlichen Versroman (Anfang 13. Jh.), dem ich schon lange sehr verbunden bin.

 

Nicht nichs

Nicht nichts
ohne dich
*
aber auch:
Nicht alles
mit dir

*Erich Fried: Ohne dich. In: Liebesgedichte (Quartheft 103).

 

Ist zwîvel herzen nâchgebûr

Ist zwîvel herzen nâchgebûr,
daz muoz der sêle werden sûr.
Wenn Zweifel Herzens Nachbar ist,
dann wird das sauer für die Seele*

zumindest wenn’s ein Zweifel ist,
der der Verzweiflung nahesteht,
ein Nachbar, der seinen Nachbarn
gern entzweit, indem er
bittersaure Zwietracht sät,
so dass das nunmehr zwiefalt Herz
an Welt, an Mensch, an sich
bald zweifelt, bald verzweifelt
– zweifach zwiegespalten.
Süß nur ist der Zweifel,
der einen jeden Zweifelsfall
ins rechte Zwielicht rückt:
ein Zweifel, der Herz, Welt und Ich
immer wieder konstruktiv mit Bedacht in Frage stellt:
Ist zwîvel herzen nâchgebûr,
daz muoz der sêle werden sûr.
Ist ab zwîvel herzen kampfgenôz,

daz ist der sêle süezer dôz.**

*Wolfram von Eschenbach: Parzival, Prolog, Verse 1-2 (die neuhochdeutsche Übersetzung der Sentenz stammt von mir)
**Wenn aber Zweifel des Herzens Kampfgenosse ist, dann ist das für die Seele süßer – weil: heilbringender – Klang (die mittelhochdeutsche Weiterdichtung und ihre neuhochdeutsche Übersetzung sind natürlich von mir).

 

6 thoughts on “#frapalymo 1-nov-16: Erste Wörter

  1. Holla, das ist ein Wurf!
    Ich bin begeistert und beeindruckt. Das ist ein “typisch Lyrifant”- Gedicht, und von besonderer Tiefe.
    Aber am Schluss muss ich meckern:
    “immer wieder konstruktiv in Frage stellt:”
    klingt wie politisch korrekte Psychodebatte, das fällt aus dem lyrischen Ton des Textes. Vielleicht stört nur das Wörtchen “konstruktiv” hier?

  2. Ich finde ja oft, dass einfach Streichen eine gute Lösung ist – braucht es denn hier noch ein Adverb? “Immer wieder” enthält doch einen kompletten Spielfilm von Drama und Bedeutung!

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