sternhagelvollmondsüchtig
zieh ich durch die Nacht –
sammle vollmondhellsichtig
Himmelglückssternhaufen, bis
mir die Welt sternschnuppe ist
Autor: Lyrifant
Gedanken am Ufer der zugefrorenen Havel
es könnte reizvoll sein:
alljährlich von Zeit zu Zeit
unter einer dünnen Haut aus Eis
ganz still zu werden, zu verharren,
für eine Weile zu erstarren, um bald
in der Wärme erster Sonnenstrahlen
allmählich aufzutauen und aufs Neue
zu glucksen beginnen und zu gluckern,
zu sprudeln, zu fließen und zu strömen
EigenSinn
ist es nicht ebenso sinnig wie eigen,
dass uns Eigensinn nur sinnig erscheint,
solange es unser eigener ist?
Tomintoul (aged 16 years)
leicht steigt der Nebel hoch
mir in den Kopf: komm, zeig mir
dein goldenes Licht! ich steh
am Rand der Klippe und denke
“ich kann fliegen”
und lasse mich
fallen
fehlt nur noch der Sommer
das erste Wort
ins Schweigen schreiben
das erste Wort, um Wort für Wort
ins Schreiben mich zu schweigen
hoffen
ins Sprachlose
ein Wort pflanzen:
hoffen, dass es wächst
über das wunde Stumm hinaus
in der Wortwolke
seh das Gedicht vor
lauter Wörtern nicht
mehr Licht am Ende
der Horizont ist viel weiter
ohne Worte sage ich
mehr
Wo Gefahr ist …
Wo Gefahr ist, sang Hölderlin einst,
wächst das Rettende auch.
Und wo Rettung naht, so seh ich heut,
baut Gefahr sich auf.
Schneeregen
wenn Regentropfen
zu Schneeflocken werden:
kälter wird es, nass bleibt es –
aber sie fallen jetzt nicht mehr
nur einfach zu Boden (wo sie
sich auflösen in nasses Nichts),
nein, sie steigen voll Übermut
zuerst noch einmal hoch
in die Luft
Warten auf den Schnee
und wieder heißt es:
Warten auf den Schnee, der
dann doch wieder nicht kommen
wird, der zwar immer wieder vorher-
gesagt wird, aber dann doch nicht
kommt, der immer nur anderswo
fällt, aber nie hier, wo ich warte:
Warten auf den Schnee, der
dann doch wieder nicht kommen
wird, so wie das große Glück, das
auch nicht kommt, nie kommen wird
und auf das ich auch immer schon
vergeblich warte
Schneeverse
in Schnee schrieb ich
meine alten Lieder, schrieb sie
ins Reine – Vers für Vers: horch,
wie harsch sie knirschen
unter meinem Schritt
aus Schnee schreib ich
meine neuen Verse, schreib sie
ins Weiße – Flocke um Flocke: sieh,
wie forsch sie stieben
über meinem Kopf
von Schnee schrieb ich
meine alten Lieder, von Schnee
schreib ich meine neuen Verse: fühl,
wie sie schon beginnen zu schmelzen
in der noch verhaltenen Wärme
der Wintersonne
