Sei Nacht zu mir

Variationen über ein Gedicht von SAID

Sei Nacht zu mir!
Am Rande dieser Tage,
mit vielen Worten ohne Gesicht.

SAID, Sei Nacht zu mir. Liebesgedichte. München 1998

Sei Nacht zur mir!
Im Schatten jener Tage,
voll des Lichts.

Sei Tag zu mir!
Im Lichte jener Nächte,
voller Schatten.

Sei Nacht zu mir!
Im Schatten jener Tage,
die mich anschreien
mit ihren Händen.

Sei Tag zu mir!
Im Lichte jener Nächte,
die mich anschreien
mit ihren Augen.

Sei Nacht zu mir!
Im Schatten dieser Nächte
schlafe ich im Lichte
Deiner Augen.

Sei Tag zu mir!
Im Lichte dieser Tage
wache ich im Schatten
Deiner Hände.

Geteiltes Leid

Geliebter,
glaubst Du, ich spürte
in meinem Leid Dein Leid
nicht mehr?

Geliebter,
glaube mir:
Dein Leid ist mein Leid
ebenso wie
mein Leid Dein Leid ist.

Man sagt:
Geteiltes Leid sei
halbes Leid.

Doch
ebenso wenig wie
mein Leid durch Dein Leid
weniger wird, wird
Dein Leid durch mein Leid
weniger.
Leid teilt sich nicht.

Geliebter, deshalb
glaube ich:
Geteiltes Leid ist
doppeltes Leid.

Nur sind wir nicht allein
in unserem doppelten Leid.
Nur haben wir uns
in unserem geteilten Leid.

Schmerztagebuch

Donnerstagmorgen: klopft er noch höflich an
Donnerstagmittag: klopft und klopft und klopft er
Donnerstagabend: hat er mich schon weich geklopft

Freitagmorgen: pocht er stumpf und dumpf
Freitagmittag: pocht er bestimmt auf sein Recht
Freitagabend: pocht und pocht und pocht er

Samstagmorgen: beißt er mich
Samstagmittag: beißt er sich durch mich durch
Samstagsabend: hat er mich kurz und klein gebissen

Sonntagmorgen: sticht und sticht und sticht er
Sonntagmittag: sticht und sticht und sticht er
Sonntagabend: hat er mich zu Boden gestochen

Montagmorgen: zwickt er mich
Montagmittag: zwickt und zwackt er mich
Montagabend: zwickt er mich hier und zwackt er mich dort

Dienstagmorgen: hämmert er mich wach
Dienstagmittag: hämmert er weiter und weiter
Dienstagabend: hämmert und hämmert und hämmert er

Mittwochmorgen: beginnt er zu brennen
Mittwochmittag: brennt er lichterloh
Mittwochabend: brennt er mich nieder

wieder Donnerstagmorgen: wieder klopft er

verloren

verloren habe ich
das Spiel
die Schlacht
den Krieg

verloren habe ich
den Mut
den Glauben
die Hoffnung

verloren habe ich
den Überblick
das Gleichgewicht
die Fassung

verloren habe ich
die Spur
den Faden
die Orientierung

verloren habe ich
das Gesicht
den Kopf
den Verstand
den Atem

verloren habe ich
den Boden
unter den Füßen

verloren habe ich
mich

verloren bin ich

 

Grmpf!

nicht ganz ernst gemeint!

hupft aus dem Topf
lupft den Pfropf
stupft auf den Knopf
schlupft unter den Tropf
schnupft in den Kropf
tupft sich an den Kopf
rupft sich den Schopf
zupft sich am Zopf

es klopft
ein Schlumpf auf den Stumpf
den Rumpf im Sumpf
einen Trumpf im Strumpf

stampft
dampft
mampft
den Karpfen im Napf

grmpf!