Schreiben und L(i)eben

Du schreibst
von rechts nach links.
Und ich schreibe
von links nach rechts.

Das gibt uns die Chance,
uns aufeinander zu
zu schreiben.

Es birgt für uns aber auch die Gefahr,
uns voneinander weg
zu schreiben.

Nur eins wird uns nie gelingen:
uns parallel in die gleiche Richtung
zu schreiben.

Gut, dass Schreiben und L(i)eben
zwei verschiedene Dinge sind.

Alte Liebe

Einen Floh
hat mir die Liebe,
die alte Schelmin,
vor langer Zeit
ins Ohr gesetzt.
Ich kann ihn noch immer husten hören.

Deshalb habe ich
noch immer
einen Frosch im Hals,
bevor ich Dir sage,
dass ich Dich liebe,
Schmetterlinge im Bauch,
wenn ich Dich die Treppe
herauf kommen höre,
Hummeln im Hintern,
sobald ich zu lange
auf Dich warten muss –
wie am ersten Tag.

Sei kein Frosch!
sagt die Liebe.
Das sind kleine Kröten,
schluck sie!
Die Liebe bleibt eben
hochgradig
insektuös und amphib –
auch wenn die Bienen
nicht mehr so flott sind
wie am ersten Tag.

Auf fremdem Sprachkurs

Obgleich
aus derselben Sprachfamilie
sind wir doch
ein ungleiches Wortpaar.

Ich habe mich häuslich auf meiner
Sprachinsel eingerichtet.
Ich springe fröhlich von
Sprachzweig zu Sprachzweig,
pflüge mich beharrlich von
Wortfeld zu Wortfeld,
blase in jedes
Sprachrohr, das sich mir bietet,
hebe frischen Mutes
Wortschatz um Wortschatz,
schaffe mir
Sprachraum um Sprachraum,
zaubere mir
Wortreich um Wortreich
mit meinem Buchstab.

Sprachlos
schaust Du mir zu.
Bleibst einsilbig.
Wortkarg.

Für Dich segle ich
auf fremdem Sprachkurs.

Meine Wortbildung tut Dir
Sprachgewalt an.
Mein Wortwitz verletzt Deine
Sprachgefühle.
Meine Wortbrüche sind
Silbenrätsel für Dich.

Ich habe die Wortwahl.
Du willst Klartext.

Liebe, organisch

Liebe geht durch den Magen,
der Darm muss sie erst einmal verdauen.
Sie setzt uns Schmetterlinge in den Bauch,
verschlägt uns den Atem.
Sie geht an die Nieren,
läuft über die Leber,
speit Blut und Galle,
wenn es sein muss.
Sie macht blind,
vernebelt das Gehirn,
trifft mitten ins Herz.

Nur mit der Milz hat sie nichts am Hut.