Lyrifants bescheidener Beitrag zu Jürgens Transformationsprojekt
Autor: Lyrifant
O Welt
O Welt, ich muss dich lassen,
singt, wer glaubt an Gott.
Wer wie ich nicht glauben kann,
vermag nur noch zu seufzen:
O Welt, lass mich …
Wunsch (zu All Hallows’ Eve)
ihr guten Geister! bitte lasst
mich den Geist aufgeben, bevor
er mich verlässt, der gute
verlogene Welt
wir schwindeln,
bis uns schwindlig ist
wir schummeln,
bis uns schummrig wird
wir mogeln,
bis wir ganz mugelig sind
und wir flunkern uns ganz flink
von Flunsch zu Flansch
das heißt: es wird betrogen und gelogen,
bis ein jeder Balken gebogen
Herbst, (ir)real?
das welkende Laub der Bäume
leuchtete, heute auf der Fahrt,
in Gelb, Orange, Braun und Rot –
so intensiv, dass ich mich fragte:
ist das wirklich Herbst oder
fahre ich durch ein Bild
von David Hockney?
Letzte Worte
Mein Gott, mein Gott,
warum hast du mich
aufs Kreuz gelegt?
wo seid ihr, Wörter?
wo seid ihr, Wörter?
ich vermute, ihr haltet euch
auf Abstand und bleibt lieber
zu Hause. Schluss mit Party.
ihr fehlt mir, Wörter!
denn was mache ich, ich arme
Poetin, wenn ich nicht mehr
von euch infiziert werde?
Zwischenbilanz
viel gewollt
wenig gemacht
viel begonnen
wenig zu Ende gebracht
viel erst gar nicht gewagt
nur wenige Feuer entfacht
viel (zu viel) nur gedacht
oft (zu oft) nachtsüber gewacht
viel zu wenig gelacht:
hab’s wohl verkracht
Dies Liedlein kommt nicht an mein “Lied vom Scheitern” heran, ich weiß 🙁
woran wir uns erinnern
wir erinnern uns
an das, was wir erlebt haben
(nicht immer mehr an alles)
wir erinnern uns
an das, was man uns erzählt hat
an das, was wir uns erzählt haben
(nicht immer mehr an alles)
wir erinnern uns
an das, was wir gedacht haben
(nicht immer mehr an alles)
wir erinnern uns
an das, was wir gedacht haben, erlebt zu haben
wir erinnern uns
an das, was wir gedacht haben, erzählt bekommen zu haben
an das, was wir gedacht haben, uns erzählt zu haben
wir erinnern uns
an das, was wir denken, gedacht zu haben
wir erinnern uns
an das, was man uns (immer wieder) davon erzählt hat, was wir erlebt haben
und wir erinnern uns daran als das, woran wir uns erinnern, es erlebt zu haben
wir erinnern uns
an das, was wir uns (immer wieder) davon erzählt haben, was wir erlebt haben
und wir erinnern uns daran als das, woran wir uns erinnern, es erlebt zu haben
wir erinnern uns
wir erinnern uns
an das, woran wir uns erinnern, es erinnert zu haben
und wir erinnern uns
an das, woran wir uns erinnern, es erinnert zu haben als das, woran wir uns erinnern
ein Wort
wie viel mehr als ein Wort
ist ein Wort?
wie viel mehr als ein Wort
ist ein Wort!
am meisten aber ist ein Wort doch,
wenn es ein Wort ist
inspiriert von Gerdas Legearbeiten mit meinen Schnipseln
unter anderem
unter anderem
ist es mir ein Bedürfnis,
euch – unter anderem –
mitzuteilen, was ich euch schon lange
unter anderem sagen wollte:
was mich nämlich unter anderem
echt nervt, ist, dass – unter anderem –
dies oder jenes geschieht oder
eben nicht geschieht
Momentaufnahmen
frag mich nicht nach dem
Gedicht von gestern, wenn
es schon ein Gedicht von
heute gibt, und frag mein
Gedicht von morgen nicht
nach meinem Gedicht von
heute
Momentaufnahmen
sind meine Gedichte, gültig
nur für das Jetzt, mit einer
Maximalhaltbarkeit für den
Augenblick