Lyrifants Manifest (1): gRUnd

endlich! endlich hat Lyrifant die Zeit gefunden, einen ersten Entwurf zum eigenen poetischen Manifest zu schreiben. Ule, die Lyrifants poetische Seele vielleicht sogar noch besser kennt als Lyrifant selbst, durfte es vorab schon lesen und hat durch ihr einfühlendes Mitdenken noch sehr zur Schärfung beigetragen. Danke, Du Liebe!
Ich werde die fünf Abschnitte hier nun sukzessive publizieren und damit zur Diskussion stellen. Bin gespannt, was Ihr sagen werdet.

gRUnd

Madame, wo haben Sie denn Ihren Grund? – Grund? ich habe keinen Grund. im Grunde hänge ich gänzlich in der Luft. stehe allenfalls am Abgrund. warum ich schreibe: hat keinen Grund. was ich schreibe: hat keinen Grund. dass ich schreibe: hat keinen Grund. ich stehe auf keinem Grund, von dem aus ich schreibe. mir liegt kein Grund zugrunde, auf dem ich schreibe. mein Schreiben gründet nicht auf einem Grund. ich schreibe, um zu schreiben.
grundsätzlich: ich mag keine Grundsätze. ich mache lieber einen Satz. und noch einen. und noch einen. ohne Grund. einfach so. grundsatzlos. grundlos. ich schreibe, um zu schreiben. will’s nicht begründen. will’s nicht ergründen. will’s in nichts gründen. grundlos schreibt’s sich besser. grundlos schreibt’s sich vom Vordergrund in den Hintergrund, vom Hintergrund in den Untergrund, vom Untergrund über den Abgrund ins Bodenlose. tiefgründig. tief. gründlich.
was kümmert’s mich, was meine Gedichte bedeuten? ob sie was bedeuten? ob sie von Bedeutung sind? was kümmert’s mich? ich schreibe, um zu schreiben. nein, ich mag keine Grundsätze, aber ich mag GrundSätze. ich gründele gern. von Satz zu Satz.
nein, ich habe keinen Grund. ich brauche keinen Grund. ich bin mir nicht einmal selbst Grund genug. ich habe nur ein Wort. ich brauche nur ein Wort. und vielleicht noch eins, noch zwei, noch drei. und wenn ich Glück habe, werden sie sich fügen, meine Wörter, zum Gedicht.
das Einzige, was mir dann vielleicht noch wichtig ist: rund soll es werden, mein Gedicht. und rund kann ein Gedicht auch sein, wenn es Ecken hat und Kanten. und wenn es Kante zeigt. und.

17 thoughts on “Lyrifants Manifest (1): gRUnd

  1. Feines Manifest. Im Grunde drehen wir wohl alle unsere Runden rund ums Und. Und. Und. Schritt um Schritt, Wort um Wort, Ort um Ort, Schitt um Schitt. Am Ende ist ein Lebenswerk draus geworden. Im Gegensatz zu dir tun die meisten es mit Gründen.

    Früher hatte auch ich eine Art Manifest: “Tomorrow and tomorrow and tomorrow creeps in ths petty pace from day to day to the last syllable of recorded time. And all our yesterdays have lighted fools the way to dusty death.” geht noch weiter, ist von Shakespeare, Macbeth.
    Herzliche Grüße der Dichterin!

  2. klasse, gefällt mir außerordentlich!
    antworten/ hinzufügen möchte ich nur folgendes:
    und doch ist da ein grund, ein fundierter boden, (der vielleicht flexibel ist und tief, aber er ist da), auf dem du dein wort, dein gedicht gründest, und der liegt in dir selbst 🙂
    bin gespannt auf mehr.
    herzlichst,
    diana

        • Komisch, seit ein paar Jahren hab ich sie immer an, nur bei den älteren Beiträgen nicht. Aber Du meinst ja sicher aktuelle Beiträge, es kann sein, dass ich es so eingestellt habe, dass sich die Funktion nach einer gewissen Frist ausschaltet. Ich guck da nochmal nach. – Sonst: Nutze bitte beim nächsten solchen Fall einfach das Kontaktformular, vielleicht bekomme ich dann raus, woran es liegt.

  3. Das fängt ja richtig gut an! Und gerne schließe ich mich an: schreiben, um zu schreiben, weil “es” will, geschrieben werden will, raus will und es kommt nicht ohne Grund aus tiefstem Grund.
    So, und nun lese ich Nr. 2.
    herzliche Grüße, Ulli

    • Liebe Gabriele, ganz lieben Dank für Deinen Besuch, der mir umso wertvoller ist, als ich um Dein knappes Zeitbudget weiß – und wenn Dir der Auftakt meines Manifestes schon mal gefällt, bin ich total glücklich!

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