Schreibwerkstatt: Lyrik – “Frühlingsgedicht” und ein anderes Problem

Bei meinem zweiten Text geht es um das Problem des letzten Wortes. Vielleicht mögt Ihr mitdiskutieren?

Version 1

Erst im Herbst
weiß ich, was
Frühling ist.

 

Version 2

Erst im Herbst
weiß ich, was
Frühling war.

 

Version 3 [das war der Lösungsvorschlag der Gruppe]

Erst im Herbst
weiß ich, was
Frühling ist
oder war.

8 thoughts on “Schreibwerkstatt: Lyrik – “Frühlingsgedicht” und ein anderes Problem

  1. Den Gruppenvorschlag finde ich feige, weil alle Optionen offengehalten und nichts entschieden – es sei denn, der vorangegangene Text drängt zu einer solchen Lösung. Der vorangegangene Text ist in meinen Augen auch das Kriterium für eine Entscheidung zwischen den beiden ersten Fällen. Wo steht der Lyrich (Copyright: Zichorienzauber) oder die Lyrikke an dem Punkt dieser Aussage?

  2. Version 1, weil-so nehme ich an- die Dichterin andeutet, dass sie konzeptionell die Bedeutung “Frühling” versteht. Aber ich mag auch Variante 2 sehr. Bei 3..,auch gut, verzehrt ein wenig den Fluss… Du entscheidest…ich werde auf jeden Fall zufrieden sein.😊
    Herzliche Grüße. Priska

  3. Hm, Version 3 könnte der unentschlossene Kompromiss sein, Allerdings finde ich, dass Du bei diesen Unterschieden auf Dein Bauchgefühl hören solltest. Weißt Du im Herbst, was Frühling an sich bedeutet? Weißt Du, was Frühling Dir in der Vergangenheit bedeutete, weil es Dir im Herbst fehlt? Gehst Du davon aus, das diese Erkenntnis nur für die Vergangenheit gültig ist und der Frühling in kommenden Jahren etwas anderes sein wird? Bist Du Dir dahingehend unsicher?
    Rein klanglich finde ich alle 3 Versionen stimmig.
    Liebe Grüße,
    Jo

  4. bei mir ist es eindeutig Version 1. diese Aussage ruht in sich. sie hat Gültigkeit. eine Erfahrung, die, wenn ich sie mir in Erinnerung rufe, jederzeit gleichbleibend ist. mich beruhigt so etwas. daher ist es eine rein subjektive Wahrnehmung.

    liebe Morgengrüße
    Gabriele

  5. Für mich ist es auch eindeutig Version 1. Da ist alle Aussage drin, die es braucht. Es ist Zeit vergangen, Klarheit und Bewusstsein haben sich eingestellt – jetzt weiß das LI was Frühling ist.

    In Version 2 klingt es für mich irgendwie abgehackt. Es ist ein großer Sprung, es fehlt die Ruhe im Vers, die in Version noch drin ist. Es klingt auch, als gäbe es keinen Frühling mehr, was natürlich Quatsch ist. Noch ein weiterer Pluspunkt also für die Version 1.

    Version 3 ist nichtssagend, liest sich wie ein Einkaufszettel,á la: Ich schreib mal alles rein, damit es keine Fragen mehr gibt. Es ist irgendwie … langweilig und unentschlossen. Als wäre es unmöglich einen klaren Standpunkt zu beziehen bzw. als wäre der Leser/in nicht imstande den kleinen Vers zu verstehen, wenn nicht alles ausformuliert ist. Mein Tipp: Trau dem Leser/in was zu. Das schaffen die. 🙂

    Ist schon interessant, wie sehr ein Vers verändert wird, allein durch ein einziges Wort, nicht? Manchmal denke ich, jemand der nicht schreibt/dichtet, hat keine Ahnung davon, wie sehr man mit Worten ringen kann, bevor sie gerade in einem Gedicht stehen.

    Ich wünsche Dir viel Freude beim Auswählen und Entscheiden,
    liebe Grüße vom (u.a. Lyrik-)Blog nebenan

  6. Eure Ablehnung für Version 3 teile ich voll und ganz; ich vermute, dass mein Vortrag daran schuld war, weil ich direkt mein Schwanken zwischen den beiden ersten Möglichkeiten so verbalisiert hatte – und offenbar hatten meine Zuhörerinnen gedacht, das würde zum Gedicht gehören. Ja, mein erster Impuls war Version 1 – nur die Perspektive, dass man damit nicht nur iterativ wiederkehrende Jahreszeiten, sondern Lebensalterstufen meint, hat mich dann zum Tempuswechsel und damit zu Version 2 verführt (denn bezogen auf unser Leben gäbe es nur einen Frühling, und der ist im Herbst unwiederbringlich vorbei). Ich überlege noch, ob beide Versionen als zwei Strophen eines Gedichts taugen würden, aber ich zögere – noch.

  7. Zyklen schließen sich nicht nur, sie beginnen auch von vorn, daher möchte ich folgende Möglichkeit erwähnen:

    Erst im Herbst
    weiß ich, was
    Frühling sein wird.

    Also hoffnungsvolle Vorfreude anstelle von wehmütigem Rückblick

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