ihre Namen

Vergangenen Sonntag hatte ich die Gelegenheit, im Staatstheater Wiesbaden das Stück „an grenzen“ von Özlem Özgül Dündar zu sehen – ein Stück, das mit großer sprachlicher Sensibilität nicht nur ein Stück Migrant:innengeschichte in Deutschland beleuchtet, sondern auch der Opfer von rechter Gewalt insgesamt gedenkt – und dabei versucht, Möglichkeiten eines neuen Miteinanders auszuloten. Als Hörpiel ist der Text (wenn auch in einer anderen Fassung) in der WDR-Mediathek abrufbar. Unter dem Eindruck dieses Theaterstücks ist nun mein Text entstanden.


wir sagen ihre Namen
um an sie zu erinnern
wir sagen ihre Namen
um ihrer zu gedenken
wir sagen ihre Namen
um sie uns einzuprägen
wir sagen ihre Namen
um sie in uns zu bewahren
wir sagen ihre Namen
um uns selbst zu ermahnen
wir sagen ihre Namen
um es nie wieder zu vergessen
wir sagen ihre Namen
und wir vergessen nicht die Namenlosen
wir sagen ihre Namen
und wir vergessen nicht den Ort und die Zeit
wir sagen ihre Namen
wir sagen ihre Namen

ach, hätten wir doch ihre Namen
noch zu ihren Lebzeiten
schon zu ihnen gesagt

mein erstes Bad in diesem Jahr

es war mein erstes Bad in diesem Jahr:
der See war blau; und alle Wassertiere waren da
(ihr Dasein war ein stummer Gruß an mich, gewiss):
Herr und Frau Haubentaucher badeten mit mir;
ein Stockentenpaar schwamm etwas abseits;
der Graureiher segelte über mich hinweg;
und das Wasserschlänglein kreuzte meine Bahn –
nur die alte Schildkröte hielt sich im Schilf versteckt;
und auch die Blässhühner waren ungewöhnlich still.

vor allem aber fehltest Du, mein Liebster, mir
zum vollen Glück! denn ohne Dich
ist all das doch nur halb so schön!

Mathematik des Krieges

Krieg addiert:
Tote um Tote und Versehrte

Krieg addiert:
Waffen und scheinbare Werte

Krieg subtrahiert:
Leben von blühender Jugend

Krieg subtrahiert:
Moral von politischer Tugend

Krieg multipliziert:
Schmerz mal Leid

Krieg multipliziert:
Gewinn mal Neid

Krieg dividiert:
Freunde durch Haltung

Krieg dividiert:
Risiko durch Spaltung

Krieg potenziert:
immer Krieg, niemals Frieden

Denk ich an Deutschland

Reminiszenz an Heinrich Heine

Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht.


Denk ich an Deutschland mitten am Tag,
Dann fühl ich nur Leid, Angst und Plag.

Denk ich an Deutschland am frühen Morgen,
Dann bin erfüllt ich von Kummer und Sorgen.

Denk ich an Deutschland am späten Abend,
Dann möchte Reißaus nehmen ich – trabend.

Binsenweisheit

angeregt von einem Binsen-Foto von Chris auf ihrem privaten Blog „Wort und Stern“ (das ich jetzt aber nicht mehr finde) – und übrigens völlig sinnfrei (offenbar hat mich, je gruseliger das Weltgeschehen wird, der Eskapismus fest im Griff …)

nein, da helfen keine Linsen –
und es gibt auch keine Zinsen:
geht die Beute in die Binsen,
hört der Jäger auf zu grinsen.