Blick.Winkel, im Zeichen der Kröte

Ein.Blick von ganz unten: Lieder
aus dem Schlamm, vorlauthals;
Gossenworte, grottig & krötig,
(Ab)Schaumpoesie

Ein.Blick von den Rändern: Lieder
vom Grenzrain, zwiespältig & zwielichtig;
Unkenzwischenrufe im Lurchgequak,
grenzenlos grenzwertig

Ein.Blick vom Ursprung: Lieder
aus dem Urgestein, uraltklug;
wandernd, bewandert, flötend &
krötend: tötend

Ein.Blick aus der Kriechspur: Lieder
von Erde und See, Amokröte noch im
pockennarbigen Gesicht; ein Kriechen
in fluiden Versen, subversiv & tief –

erdnah, seewärts

inspiriert durch den Band „Kröten“ aus der wundervollen Reihe „Naturkunden“ beim Verlag Matthes & Seitz

Rassismus. Kein Gedicht

Ich gebe zu, es ist durchaus
ein verlockendes Narrativ:
Rassismus als Geisteskrankheit
zu begreifen.

Spinne weiter: Gehörten dann nicht
diese eine Partei und alle, die sie
wählen und unterstützen, in die
Psychiatrie? Oder zumindest doch
– im Dienste nationaler Sicherheit –
in Quarantäne?

Doch bedenke auch: Ließen wir uns
auf diese Diagnose ein, bedienten
wir uns der Rhetorik und der Metaphorik
derer, die genau dies wollen: Rassismus
als Krankheit einzelner Verwirrter
verharmlosen.

Nein, Rassismus ist keine Krankheit!
Rassismus ist Rassismus.
Kein Symptom.
Keine Diagnose.
Und erst recht kein Gedicht.

Turmgedicht

für Friedrich Hölderlin

getürmt
lebt es sich
höher, freier auch

Darf, wenn lauter Mühe das Leben, ein Mensch aufschauen und sagen: so will ich auch seyn? Ja.

aus dem Turmtief, das
heilignah den Wassern,
steigt auf der Geist
aetherwaerts

noch ist Bewegung:
aus jeder Stufe, jedem Stein
türmeln die Verse, turmschief
vielleicht, ins Turmhohe dennoch

der Turm, ein Verlies, ein Refugium –
hier ist der Dichter
endlich allein, ganz bei sich,
einsam zwar, doch das ist der Preis:
Leben ist Tod, und Tod ist auch ein Leben.

Gedanken anlässlich der Wiedereröffnung des Hölderlinturms in Tübingen zum Auftakt des Hölderlinjahres. Mit Zeilen aus ‘In lieblicher Bläue’ (1808).

Urworte, leguanisch

leguanisch sei
mein Wort

ein Schlitzblick, Zick
um Zack, auf die Echsenschnelle
das Ferne nah im Räubergriff –
schupppanzerunter
Geschicht über
Gedicht

im Einzelgang
will wechseln ich
die Verse wie
die Farbe

uralt sei mein Wort, wild
euch und fremd

inspiriert durch den Band “Eidechsen” aus der wundervollen Reihe “Naturkunden” beim Verlag Matthes & Seitz

pfui!

ui,
wie dreist:
einfach ausgetrickst,
die einfache Mehrheit

hui,
wie fix:
doppelt ausgepielt,
die Demokratie

pfui,
wer da hat mitgespielt,
doppelzüngig

pfui,
wer da hat mitgetrickst,
mit einfachen Mitteln
zum bösen Zweck

 

Heute ist ein schwarzer Tag für die Demokratie in unserem Land: Ein 5%-FDP-ler ist sich nicht zu schade, sich mit den Stimmen der rechtsradikalen Höcke-AFD zum thüringischen Ministerpräsidenten wählen zu lassen (und dies mit Unterstützung der CDU).

Schopenhauer in Potenz

Die Welt ist meine Vorstellung.
Und in meiner Vorstellung bin ich die Vorstellung der Welt.
Dabei bin ich nur die Vorstellung einer Welt, die mich vorstellen lässt, die Welt sei meine Vorstellung und ich sei in meiner Vorstellung die Vorstellung der Welt.
Oder ist die Welt nur eine Vorstellung meiner selbst, wie ich mir vorstelle, ich sei die Vorstellung einer Welt, die meine Vorstellung ist?

Und was wäre dann mein Wille?

schreib.übung

Mit der ersten Version der Schreibübung war ich im Nachhinein doch noch nicht so zufrieden. Hier also eine verbesserte Version.

schreib (wenn Du kannst) Tag für Tag
ein Gedicht – so übst du
schreiben

schreib (du kannst es) für jeden Tag
ein Gedicht – so lernst du
unterscheiden

schreib (was du willst) Jahr und Tag
für das eine Gedicht – so wirst du
wachsen und reifen

schreib (du willst es) eines Tages
dein Gedicht – so kannst du
schweigen