Die eigene Sprache finden

Es ist gar nicht so leicht,
die eigene Sprache zu finden,
in Schall und Rauch
von Jedermanns Senf,
zwischen Werbespott und Newsbrache,
in der Dichter heiligem Wörtersee,
zwischen Slam-Schlamm
und Slang-Klang,
im Matsch von Klatsch und Tratsch,
unter all dem alltäglichen
Wortmünzengeklingel,
zwischen Comedy-Gegacker
und abgeschlagenen Herz-Schmerz-Reimen,
dem Gequake von Zeitungsenten
und all dem intellektuellen Geifer
der Experten und Kritiker,
jenseits der Geschwätzigkeit der Prediger,
im Sumpf von Suff und Puff,
zwischen Mail-Trash
und Politphrase,
akademischen Pfauengeschrei
und intrigantem Schlangengezisch,
im Morast von abgedroschenen
Redewendungen und Sprichwörtern,
in Schutt und Asche
unserer verbrauchten Sprache.

Doch vielleicht
ist es auch gar nicht so schwer:
Warum nennst du nicht einfach
schön, was schön ist,
und gut, was gut ist?
Warum soll nicht
oben oben heißen
und unten unten?
Und warum sagst du nicht einfach
gerecht zu dem, was gerecht ist,
und ungerecht zu dem, was ungerecht ist?

Die eigene Sprache finden,
hieße dann,
den aufrechten Gang im Wort
zu üben.

Bliebe dann nur noch
das Problem,
was schön, was gut ist,
wo oben, wo unten ist,
was gerecht, was ungerecht ist.

Aber das ist
ein Problem
jenseits der Sprache.

Aus den Federn

Mit spitzer Feder
Lügen
zum Platzen bringen –
ohne viel Federlesens.

Mit einem Federstrich
Einsicht
zum Schweben bringen –
federleicht.

Auch wenn du Federn lassen musst,
um Feder führend zu sein:
Greif zur Feder!

Denn in ihrem Federbett
schlummernd
taugen deine Worte nicht.
Hilf ihnen

aus den Federn
und lass
den Luftballon der Poesie
in den Himmel steigen.

Das Einmaleins der Modalverben

I         Lied der Zwänge

Ich mag nicht,
aber ich muss.

Ich kann nicht,
aber ich soll.

Ich darf nicht,
aber ich will.

 

II       Lied der Verweigerung

Ich darf,
aber ich muss nicht.

Ich soll,
aber ich mag nicht.

Ich kann,
aber ich will nicht.

 

III      Lied der Freiheit

Ich darf,
was ich will.

Ich muss nur,
was ich mag.

Ich kann,
was ich soll.

Credo

I

Lieber
mit wenigen Worten
viel sagen,
als
mit vielen Worten
wenig sagen.

 

II

Lieber
ohne Worte
als
ein Wort zuviel,
ein falsches Wort,
ein richtiges Wort zur Unzeit.

 

III

Lieber
ein wortkarges
Wortspiel
als
wortmächtiger
Tatenernst.

Was kann ein Gedicht?

Hat ein Gedicht
wirklich Gewicht
in unserer leichtfertigen Zeit?

Vielleicht nicht immer,
aber Gedichte
verschieben Gewichte,
was nicht jedem gefällt.

Hält ein Gedicht,
wirklich Gericht
über Recht und Unrecht in unserer Welt?

Vielleicht nicht immer,
aber Gedichte
servieren Gerichte,
die nicht jedem schmecken.

Gibt ein Gedicht
wirklich Gesicht
unseren Träumen und Wünschen?

Vielleicht nicht immer,
aber Gedichte
beschreiben Gesichte,
die nicht jeder sehen kann.

Gedichte
sind wichtig,
vielleicht nicht immer richtig,
manchmal auch kurz-
zuweilen doch hellsichtig,
nie nichtig.

Worte

Worte
sind Orte
zum Verstecken von Sinn und Unsinn.

Worte
sind Horte
voller Kraft und Energie.

Worte
sind Porte
der Zuflucht.

Worte
sind Borte
für Trauer- und Freudenfeiern.

Worte
sind Torte
für die Seele.

Worte
sind Pforte
zu einer eigenen Welt.

Der Schriftsteller

Er stellt Fallen,
stellt die fliehenden Wörter.

Er stellt die Sprache zur Rede,
stellt der Zeit einen Zeugen.

Er stellt Augen und Ohren,
stellt die Weichen für neue Wortzüge.

Er stellt sich seiner Sprache
und der Welt.

Er ist Schriftsteller,
er stellt Wort neben Wort,
Sinn neben Sinn in Schrift.