Ez grüenet wol diu linde breit
Ein Grünes Pantun von Dietmar von Aist
Ahî, nu kumt uns diu zît, der kleinen vogellîne sanc.
ez grüenet wol diu linde breit, zergangen ist der winter lanc.
nu siht man bluomen wol getân, an der heide üebent sî ir schîn.
des wirt vil manic herze vrô, des selben entroestet sich daz mîn.
Ez grüenet wol diu linde breit, zergangen ist der winter lanc.
ûf der linden obene dâ sanc ein kleinez vogellîn.
des wirt vil manic herze vrô, des selben entroestet sich daz mîn,
sît ich bluomen niht ensach noch enhôrte der vogel sanc.
Ûf der linden obene dâ sanc ein kleinez vogellîn.
sît was mir mîn vröide kurz und ouch der jâmer alzelanc.
sît ich bluomen niht ensach noch enhôrte der vogel sanc.
vor dem walde wart ez lût. dô huop sich aber daz herze mîn.
sît was mir mîn vröide kurz und ouch der jâmer alzelanc.
nu siht man bluomen wol getân, an der heide üebent sî ir schîn.
vor dem walde wart ez lût. dô huop sich aber daz herze mîn.
Ahî, nu kumt uns diu zît, der kleinen vogellîne sanc.
Der Farben-Formen-Trilogie-Impuls von Sophie Paulchen hat nun bei mir noch etwas ganz anderes freigesetzt. Schon lange reizt es mich, etwas Lyrisches mit den von mir so heiß geliebten Minnesängern zu machen. Und nun war da plötzlich die Idee: einfach das mittelhochdeutsche Sprachmaterial zu einer neuen Form zusammensetzen – und das noch farblich inspiriert.
Für das Grüne Pantun habe ich acht Verse von Dietmar von Aist verwendet. Meine erste Strophe entspricht der ersten Strophe aus dem Lied “Ahî, nu kumt uns diu zît” (zitiert nach Minnesangs Frühling, MF 33,15) – mit einer kleinen Änderung: das “troesten” ist bei mir negiert. Die weiteren vier Verse stammen aus der vierten und fünften Strophe desselben Liedes.
Inspiriert wurde dieses Gedicht wie die ganze Reihe durch Sophie Paulchens #frapalymo im November 2016 (hier: Impuls No. 23).Worthilfen: ahî = Ausruf der Freude wie des Schmerzes; wol getân = schön; üebent sî ir schîn = zeigen sie ihren Glanz; entroestet = findet keine Hoffnung; daz mîn = das meine (gemeint: mein Herz); sît = weil (oder auch: später); alzelanc = viel zu lang; ensah = sah nicht; enhôrte = hörte nicht; wart ez lût = wurde es laut, erklang es; huop = erhob sich, schwang sich auf
An dieser Sprache hört man noch, dass Dichtung ursprünglich was mit Gesang zu tun hatte.
Allerdings!